Cuxhaven- die Famulatur Der „etwas anderen Art“.
Im Juli habe ich vier Wochen auf Intensivstation verbracht. Schon vor der Anreise war ich mir sicher, dass es gut werden würde – ich hatte schon einiges darüber gehört. Nun kann ich aber behaupten – es war großartig!
Die Klinik Helios Cuxhaven ist dein Haus der Grund- und Regelversorgung. Von den eigentlich zwölf Betten auf Intensivstation waren zu meiner Famulatur Zeit mangels Personal nur sechs Betten belegt. Das war aber gar nicht schlimm – dafür war umso mehr Zeit da „Medizin ohne Stress“ zu erleben, das ist ja in der heutigen Zeit äußerst selten zu finden.
Nach meiner Ankunft war der Empfang sehr freundlich und die Bürokratie sehr unkompliziert. Ich wurde im „Ärztehaus“ untergebracht, das aus circa 20 Wohnungen bestand, die wiederum in fünfer- Wohngemeinschaften aufgeteilt waren. Es gab zwei Bäder und eine Küche mit 2-Plattenherd, Kühlschrank, Mikrowelle mit Grill und einer Sitzgelegenheit. In meinem Zimmer befand sich ein Bett, ein Tisch, zwei Stühle, ein kleiner Beistelltisch und ein Kleiderschrank. Aktuell hat leider das WLAN nicht funktioniert, ich durfte aber das WLAN von einem Bewohner mitbenutzen. Nach meinem Einzug ins Ärztehaus wurde mir das Klinikgebäude gezeigt, ich habe mit dem Chefarzt einen Rundgang gemacht und meine Arbeitskleidung bekommen. Danach durfte ich mich gleich bei Visite mit einreihen.
Zum Tagesablauf:
Mein Morgen begann mit der Frühbesprechung der Anästhesie/Intensivstation um 7:30 Uhr. Danach folgten Visite mit Chefarzt auf Station und später Besprechung mit der Pflege. Ich wurde von den Assistenzärzten sehr freundlich aufgenommen und mitbetreut. Meist waren es Weiterbildungsassistenten aus der Anästhesie oder anderen Fächern. Mit Ihnen hat man morgens auch die Untersuchungen am Patienten durchgeführt und dokumentiert!
Korrekte Dokumentation wird hier großgeschrieben und verhindert unnötige Fehler ungemein und trägt zum angenehmen Arbeitsklima und Kommunikation mit der Pflege bei!
Zu meinem großen Glück habe ich als Kaffeejunkie jeden Morgen meinen „heiligen Kaffee“ bekommen, während man zwischen Tür und Angel oder ganz lässig in der Küche mit dem Chefarzt Einzelunterricht/Fallbesprechungen zu den aktuellen Patienten besprochen hat. Zu keiner Zeit war einem etwas peinlich, wenn man nicht weiter wusste – man wurde individuell bei seinem Wissensstand abgeholt und individuell gefördert! Grandios! Ich hatte vergessen wie viel Spaß lernen machen kann – ernsthaft!
Ich durfte dem Chefarzt auf Schritt und Tritt folgen, E-Mails einsehen, Telefonate mithören und Angehörigengesprächen beiwohnen. Was ein Chefarzt den ganzen Tag in seinem Dienst organisiert, entscheidet, wie viele Kilometer er dabei per pedes zurücklegt und das gekonnte Multitasking zu verfolgen, war ein echtes Privileg.
Bei interdisziplinären Dienstbesprechungen, bei internen Fortbildungen, bei OP- Plan Besprechungen und Visiten, überall war man dabei. Von Allen wurde man freundlich begrüßt und es wurde Interesse signalisiert – Man hat sich als Famulant wahrgenommen gefühlt und war stets mittendrin statt nur dabei. Fiel bei Visite am Therapieschema eines Patienten etwas unstimmiges auf und man fragte etwas dazu, wurde es gleich erklärt, eventuell sogar geändert. Auch das Wort eines Famulanten findet hier Gehör- Wow!
Die Pflege war ebenfalls freundlich, mit ihr hatte ich allerdings weniger zu tun.
Was ich alles tun durfte:
Blutkulturen abnehmen, arterielle BGA machen, Venenverweilkanülen legen, ZVK– Anlage assistieren, Pleurapunktionen assistieren, reanimieren im Schockraum und auf Intensivstation, arterielle Zugänge im Beisein eines Assistenzarztes legen, im Schockraum mitarbeiten, Patienten ins CT begleiten und im Herzkatheterlabor bei Notfällen mithelfen, Anästhesieprotokolle bei Notfällen ausfüllen.
Als Besonderheit durfte ich sogar bei einer Obduktion einer verstorbenen Patienten auf Station, die man noch lebend kannte, dabei sein.
Einzigartig in Cuxhaven ist Medico/TMAS, die telemedizinischen Beratungsstelle für deutsche Schiffe und Seeleute auf hoher See. Dort laufen 24h/Tag per E-Mail und Telefon Notrufe aus allen Ecken der Welt von Schiffsbesatzungsmitgliedern auf, die medizinische Beratung benötigen. Das Spektrum ist unglaublich vielseitig. Vom eitrigen Pickel, Halsschmerzen bis hin zu lebensgefährlichen Notfällen wie zum Beispiel ein explodierter Feuerlöscher auf einem Tanker vor südwest Afrika, der einen Mitarbeiter im Gesicht verletzt hat oder auch eine tiefe Beinvenenthrombose vor Südamerika.
Notfälle, die in keinem Buch zu finden sind, laufen hier auf - das hat mit Universitätsmedizin nichts mehr zu tun. Die taktische Medizin und das quer denken und wie man aus der Ferne bei solchen Notfällen helfen kann, hat mir unglaublich viel Spaß gemacht. Zum Glück gab es den Langenscheidt, der mir geholfen hat E-Mails auf Englisch zu verfassen.
Ein weiteres „Amuse-gueule“ war der Besuch auf der Anneliese Kramer, das Seenot-Rettungsschiff das in Cuxhaven stationiert ist. Leider ließ die Einsatzlage keine Mitfahrt zu, dafür haben wir aber eine zweistündige Privatführung bekommen, inklusive Einblicke in den Maschinenraum und Matthias, das Beiboot. Man hat sich sehr viel Zeit für uns (die PJ/mich) genommen und unglaublich viel Mühe gegeben.
Nicht nur der Chefarzt, auch der Oberarzt der Intensivstation sind unglaublich motiviert einen zu fördern und für den Beruf fit zu machen. Auf meinen Wunsch hin wurde ich auch für spannende Fälle oder den Schockraum außerhalb der eigentlichen Dienstzeiten angepiept. Ich stand niemals in der letzten Reihe oder in der Ecke, man durfte immer irgendwo mit arbeiten und nahe am Geschehen sein.
Die allgemeine Stimmung im Haus ist freundlich, es ist sauber, das Mittagessen ist frei und für Krankenhausessen recht schmackhaft.
Auf Intensivstation legt man viel Wert darauf, mit den Patienten viel zu kommunizieren, sofern als möglich und sie/ die Angehörigen in Therapieoptionen miteinzubeziehen. Die herzlichen Danksagungen sprechen für sich!
Mir hat es so viel Spaß gemacht, dass ich den Strand, der circa 6 km entfernt ist und gut mit dem Fahrrad in 15 Minuten zu erreichen ist, fast vergessen habe, so dass ich nur zweimal am Strand war. An der „alten Liebe“, dem Aussichtpunkt am Elbeeinlass nach Feierabend zu sitzen und ein Besuch auf Helgoland am Wochenende lohnen sich auf jeden Fall. 15 Fußminuten weiter lassen sich ein Lidl, Edeka, dm, Drogerie Müller und ein Aldi finden. Lebensmittelgeschäfte sind hier auch sonntags geöffnet, was für mich ungewohnt war.
Ich habe tiefe Einblicke in die Arbeitsabläufe innerhalb einer Klinik zwischen verschiedenen Stationen und Fachdisziplinen bekommen, viel medizinisches gelernt, am wertvollsten empfand ich aber was ich über Organisation, Personalführung und taktischer Medizin gelernt habe. Allein durch diese Vielseitigkeit war es zu keiner Minute langweilig oder uninteressant und hat wirklich Lust auf me(e)hr gemacht.
Wer also ein Krankenhaus sucht, in dem nicht nur die Medizin im Vordergrund steht, sondern der menschliche Wille eines Patienten Respekt erfährt, ein kollegiales Umfeld herrscht und gute Förderung und Ausbildung für Studenten gewollt ist, verbunden mit Urlaubsfeeling am Strand, Meeresrauschen und Möwengeschrei am Schlafzimmerfenster, dem kann man die Heliosklinik Cuxhaven nur wärmstens ans Herz legen.