Der Text der jetzt folgt, ist ein bisschen länger, die Famulatur war aber auch nicht ganz Standard. Die Neurochirurgie der BG ist eine sehr kleine Abteilung mit zwei Chef- und zwei Oberärzten, dementsprechend ist auch das operative Spektrum kleiner als an einer Uniklinik. Wer viele kranielle Eingriffe sehen will, wird hier vielleicht enttäuscht - wer aber die Neurochirurgie abseits der abgefahrenen Tumor- und Gefäß-OPs kennenlernen und viel praktische Erfahrung sammeln möchte, sowie Einblicke in die verschiedenen Abteilungen der BG Ludwigshafen erhalten will, ist hier richtig.
Tagesablauf: Morgens ging ich mit auf Stations- und zur interdisziplinären Intensivvisite. Montags und freitags ging es danach in den OP.
Zum operativen Spektrum: Die Neurochirurgen operieren 2x/Woche. Vor allem sind das Eingriffe an der Wirbelsäule, ab und zu aber auch kranielle Eingriffe (während meiner Famulatur drei). Da die Neurochirurgen meistens alleine operieren und es hier keine Assistenzärzte gibt, stand ich zu 90% als 1. Assistenz am Tisch und konnte die Eingriffe direkt am Mikroskop verfolgen, spülen und ab der 2. Woche auch fast immer Haut nähen/tackern. Die Ärzte sind zum Großteil sehr gesprächig und freuen sich, die prä-OP-Bilder, den Eingriff und ihr Vorgehen zu erklären und fragen auch zum Teil mal die Anatomie ab.
Zu den typischen Famu-Aufgaben: Die Schwestern freuen sich, wenn man ihnen Blutentnahmen abnimmt, meistens waren das auch nicht sehr viele - es ist aber keine Pflicht, da das in der BG Aufgabe der Pflege/der MFAs ist. Ab und zu ist auch mal eine Braunüle zu legen. Stationäre Aufnahmen gibt es nur sehr wenige, die konnte ich aber auf Nachfrage auch mal machen. VW waren selten, ist ja bei den Wirbelsäulen auch nur ein Pflaster.
An den nicht-OP-Tagen haben die beiden Chefärzte tagsüber Sprechstunde, wo ich jederzeit hingehen und zuschauen konnte. Die meisten Patienten kommen mit Lumobischialgien zur Indikationsstellung, ab und zu sieht man aber auch mal Tumorpatienten o.a. Das Patientenaufkommen war dort (coronabedingt?) relativ entspannt, daher war sehr viel Zeit für 1:1-Teaching seitens der Chefärzte, zum Beispiel zu kranieller und spinaler Bildgebung, Neuroanatomie, SHT-Versorgung...
Da ich in der Abteilung die erste Famulantin überhaupt war und keine festen Aufgaben hatte, sah jeder Tag anders aus. Die Neurochirurgen teilen sich ihre Station mit den Unfallchirurgen der Sektion Wirbelsäule - die Assistenten dort haben mich an Tagen, an denen neurochirurgisch nichts los war, unter ihre Fittiche genommen. In der Wirbelsäule herrscht eine super angenehme Stimmung - da es eine kleine Abteilung ist (3 OÄ, 1 FA, 1 AA) war ich auch dort relativ schnell integriert. Auch hier war ich viel im OP - dort durfte ich neben dem obligatorischen Haken-Halten (wobei die in der WS-Chirurgie ganz klein und leicht sind :) ) viel nähen. Man merkt, dass in der UCHI die Lehre sehr groß geschrieben wird, vom AA bis zum OA erklärten alle von sich aus viel, zeigten mir viele praktische Sachen, beantworten geduldig jede meiner Fragen, und nahmen sich fast täglich Zeit für 1:1-Teaching.
Die Wirbelsäule hat auch eine Sprechstunde, wo ich immer mit hin konnte. Außerdem machen die Assistenten ab und zu BG-Gutachten, ist auch mal ganz interessant sich sowas anzuschauen.
Wenn nirgendwo was spannendes los war, konnte ich auf Nachfrage auch in die Notaufnahme. Das coole dort ist, dass man die Patienten selbst aufnimmt und untersucht, das Procedere dann mit einem Arzt bespricht, der sich den Patienten ggf. nochmal anschaut und das Röntgen anmeldet. Dann schreibt man den Ambulanzbrief, den der Arzt nochmal gegenliest - als Famulantin ein ungewohnt selbstständiges Arbeiten.
In der NA kann man auch seine ambulante Famulatur ableisten, was sicher spannend ist. Mehrmals täglich gibt es Schockräume, bei denen man zuschauen kann, hier landet echt einiges an polytraumatisierten Patienten.
Einmal hab ich einen unfallchirurgischen Dienst mitgemacht, hier bleibt man nach dem normalen Famulaturtag ab 15 Uhr bis ca. 23/00 Uhr (dafür hatte ich am nächsten Tag frei) und hilft in der Ambulanz aus oder assistiert im OP, wenn was ansteht. Hier kann man etwas mehr machen als tagsüber, weil sich weniger Famulanten tummeln und die Ärzte sich über die Unterstützung wirklich freuen.
Einmal konnte ich auf Nachfrage auch bei einer OP der plastischen Chirurgie assistieren.
Noch ein bisschen zum Orgakram:
Generell zur BG LU: Die UCHIs fangen um 7:15 mit Visite an, die NCH um 8:00. Ich bin aus Interesse auch ab und zu mit zur UCHI-Visite und Rö-Besprechung um mitgegangen, theoretisch hätte ich aber auch immer erst um 8:00 kommen "müssen". Geblieben bin ich immer bis nichts mehr los oder zu tun war - von 15:00 bis 18:30 war da alles dabei.
Famulanten können am PJ-Unterricht teilnehmen, der 2x/Woche stattfindet und immer im Wechsel von der Unfallchirurgie oder der Plastischen Chirurgie abgehalten wird. War meistens sehr lehrreich, wenn man nicht im OP steht, lohnt es sich, da hinzugehen.
Mittagessen gibt es für Famus und PJs umsonst, ich habs nicht immer geschafft, da ich dafür nicht den OP verlassen wollte, aber wäre sicher kein Problem gewesen. Ist ganz gutes Mensaessen.
Dienstkleidung wird gestellt, sieht auch ganz schick aus, so ganz in weiß :)
In aller Kürze noch eine pro-con-Liste, falls jemand mein Gelaber nicht lesen will:
Pro:
- im OP meistens mit am Tisch, meistens auch mehr als nur Haken halten
- viele Freiheiten --> Einblicke in andere Gebiete (HPRC, UCHI, Ambulanz)
- super Stimmung auf Station, geradezu erklärwütige Chef-, Ober- und Assistenzärzte (sowohl NCH als auch UCHI)
- sehr gute Organisation: Mittagessen, Dienstkleidung, PJ-Unterricht
- keine festen Aufgaben, z.B. auch keine pflichtmäßigen BEs
Con:
- keine festen Aufgaben, daher manchmal "Leerlauf" - an nicht-OP-Tagen sieht man die Neurochirurgen teilweise nach der Visite den ganzen Tag nicht mehr.
- Man muss sich die Aufgaben und Tätigkeiten daher aktiv suchen und auch offen dafür sein, sich andere OPs/Bereiche anzuschauen.
Insgesamt gilt hier einfach fragen, fragen, fragen - dann hat man eine echt coole chirurgische Famulatur, in der kein Tag wie der andere ist.
Bewerbung
3 Monate vorher im Chefsekretariat der Neurochirurgie