Salzburg ist ein kleines, aber feines Institut. Das bedeutet: Es gibt meist nur 1–2 Oduktionen am Tag, gelegentlich auch keine. Das hieß aber nicht, dass Langeweile aufkam. Natürlich braucht es eine gewisse Eigeninitiative und es war für Zeiten des Leerlaufs auch nett, dass eine weitere Famula da war. Aber: Da auch die Ärzte nicht nonstop am Obduzieren sind, haben sie Zeit für Lehre, Nachfragen, Erklärungen und so weiter. Auch die Präparatorinnen waren immer für Fragen da. Es gab mehrere spannende Vorträge, wir haben gewöhnliche, spannende und außergewöhnliche Akten und einen Skelettfund studiert, sind mit zu Gericht gefahren, waren bei Patientenuntersuchungen dabei, und haben Zugriff auf das Bildarchiv erhalten, wo wir die spannendsten Fälle der letzten Jahre nachverfolgen konnten. Außerdem besteht bei den Obduktionen kein Zeitdruck, sodass wir mehrmals selbst ran durften (bei gewissen Organen recht bald bei jeder Obduktion) und außerdem für Fragen immer Zeit und Geduld vorhanden war. Natürlich passiert im Salzburger Land nicht jede Woche ein Mord, aber an medizinisch spannenden Fällen mangelte es nicht. Während meiner Famulatur ist in Salzburg eine junge Frau ermordet worden, wo wir auch bei der Obduktion dabei sein konnten.
Was man wissen sollte, wenn man in Österreich in der Rechtsmedizin famuliert: Die klinische Rechtsmedizin spielt eine untergeordnete Rolle, da die Gutachten bezüglich Lebender meist nur aus der Akte geschrieben werden. Manche Ärzte bestellen aber auch die meisten Patienten ein – wenn, dann aber erst in Folge eines Gutachtenauftrags, das heißt in der Regel Wochen bis Monate nach dem Vorfall. Jedenfalls in meiner Zeit kam es nicht vor, dass die Rechtsmediziner von anderen Ärzten direkt bei Verdacht auf Gewalteinwirkung zurate gezogen wurden.
Zum Institut gehört auch der Standort Linz, wo wir mindestens 1x/Woche hingefahren sind, in der Regel konnten wir mit den Ärzten im Dienstwagen mitfahren (und wenn nicht, lag das nur an Corona-Bestimmungen, die hoffentlich bald der Vergangenheit angehören). Auch dort waren viele spannende Obduktionen zu sehen.
Die Betreuung erfolgt in erster Linie durch Herrn Prof. Dr. Harald Meyer, den stellvertretenden Institutsdirektor. Man kann sich kaum eine bessere Betreuung wünschen, er hat sich irrsinnig viel Zeit für uns genommen – ob er nun bis in den Abend hinein Fälle aus dem Fotoarchiv besprochen hat, uns Famulanten bei einer Obduktion fast alles hat machen lassen (wo wir sicher die dreifache Zeit gebraucht haben), eine spannende Vorlesung über Schusswaffen gehalten hat, oder einfach nur fast jeden Tag mit uns Mittagessen ging und uns dort die spannendsten Geschichten erzählt hat. Aber auch die anderen Ärzte, vom Assistenten bis zum Institutsdirektor, haben sich immer für uns Zeit genommen. Falls Sie das lesen: Danke!