Ein Praktikum in der Trauma Emergency Unit (TEU) am Chris Hani Baragwanth Academic Hospital (Bara) in Johannesburg ist definitiv für jeden Medizinstudierenden empfehlenswert!
Ich bin dort für acht Wochen gewesen und habe mir das Praktikum als zusätzliche Famulatur nicht anrechnen lassen, aber zeitgleich mit mir waren auch Studierende dort, die sich die Zeit als Famulatur oder als (halbes/ganzes) PJ-Tertial haben anrechnen lassen. Das scheint also möglich zu sein, ich würde mich vorher wahrscheinlich nochmal mit dem zuständigen LPA in Verbindung setzen.
Durch die Online-Uni während Corona hatte ich das Gefühl, dass mir einiges an praktischen Grundfertigkeiten fehlt, und wollte daher vor dem PJ unbedingt praktische Erfahrung im Krankenhaus sammeln. Bei meiner Recherche nach möglichen Zielen im Ausland, bin ich auf Johannesburg gestoßen. Und nach dem Ende meiner Famulatur muss ich gestehen, dass die Realität den zahlreichen Erfahrungsberichten, die man im Internet findet, ziemlich nahekommt.
Beworben habe ich mich eigenständig per Mail. Alle Informationen zum Bewerbungsprozess und den Gebühren findet man auf der Website der University of Witwatersrand (Wits), an der man für die Zeit des Praktikums eingeschrieben ist (https://www.wits.ac.za/health/faculty-services/elective/). Die Bewerbung muss man an Refilwe Kgauwe schicken (refilwe.kgauwe@wits.ac.za). Nicht wundern, dass man keine Antwort von ihr bekommt. Ich habe mir hier vor Ort mit vielen Studenten ausgetauscht, niemand hat von der Sachbearbeiterin zeitnah Antworten bekommen. Stattdessen haben alle mehrfach und teilweise auch mehrere Mails pro Tag verschickt, bis sie endlich eine Zusage hatten. Gegebenenfalls kann es helfen, an andere Mailadressen der Uni zu schreiben und um Hilfe zu bitten. Das hat bei einigen Studenten geholfen, schneller Antworten zu bekommen.
Theoretisch kann man sich auch für viele andere Fachabteilungen bewerben, ich hatte allerdings den Eindruck, dass man in der TEU am meisten lernt, vor allem weil der Unterschied zur deutschen Notaufnahme am größten ist. Schuss- und Stichwunden gehören zur Tagesordnung, auch tagsüber unter der Woche, und die schwere der Verkehrsunfälle und die Gewaltexzesse sind beeindruckend bedrückend. Daher ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass kaum jemand in Deutschland derartige Erfahrungen gesammelt hat.
Da hilft es, wenn man nach den Schichten (habe in der Regel auch an den Wochenenden gearbeitet, weil dort am meisten los ist, und dafür unter der Woche mal frei genommen), andere Studenten/Ärzte zum Austausch trifft oder gemeinsam etwas unternimmt. Als Unterkunft kann ich Christine Loukakis empfehlen (https://www.elective-accommodation.co.za/). Auf ihrem großen Grundstück (etwa 15 Minuten Autofahrt vom Bara entfernt) befinden sich mehrere Häuser mit mehreren Zimmern mit Gemeinschaftsküche. Dort wohnen fast ausschließlich südafrikanische und internationale Studierende und Ärzte, die am Bara arbeiten, sodass man direkt Kontakte knüpfen und gemeinsame Unternehmungen planen kann. Außerdem hilft sie sehr gerne auch selber bei allen Fragen und Problemen vor Ort!
Für die Arbeit sollte man zwei/drei Scrubs, einen Stauschlauch, Schere und Schutzbrille mitbringen. Denn man darf dort als Student ziemlich viel (bis fast alles) selbstständig machen. Alles folgt dem Motto „See one, do one, teach one“. Da die Trauma Notaufnahme zu den meisten Zeiten sehr gut frequentiert ist, habe ich auf diese Weise nach acht Wochen unzählige Patienten gesehen und untersucht, Zugänge gelegt, Blut abgenommen, Wunden genäht (teilweise auch im Gesicht), Röntgenbilder befundet sowie sogar einige ZVKs und Thoraxdrainagen gelegt.
Mir war dabei wichtig, dass ich mich bei allem sicher gefühlt habe und bei neuen Dingen auch immer eine vernünftige Supervision hatte. Dafür muss man durch den Dauerstress bei der Vielzahl an Patienten allerdings manchmal kämpfen und wenn man sich unwohl fühlt auch mal „nein“ sagen. Das habe ich allerdings auch als einen wichtigen Lerneffekt empfunden. Dazu ist es nicht immer einfach und teilweise auch schlicht nicht möglich, deutsche Standards, insbesondere was Hygiene und Sterilität beim Arbeiten angeht, umzusetzen. Gemeinsam mit den anderen europäischen Studierenden (bspw. aus Griechenland, Zypern, England, Irland, Italien, Spanien) haben wir einfach versucht, unsere Standards so lange wie möglich aufrecht zu erhalten.
Über die Wochen merkt man dann, wie viele Erfahrungen man sammelt. Studierende, die chirurgisch interessiert sind, können auf jeden Fall problemlos 8 Wochen in der TEU verbringen. Wer „nur“ ein paar spannende Erfahrungen sammeln möchte, dem reichen vielleicht auch 6 Wochen. Auf der anderen Seite ist es sehr spontan möglich, auch nochmal in andere Fachabteilungen reinzuschauen. Dafür lohnt sich etwas mehr Zeit dann wieder. Ich habe zum Beispiel noch einige Tage in der Geburtshilfe verbracht. Dafür einfach Kontakt zu den Ärzten im Krankenhaus suchen und fragen, ob sie jemanden kennen, der jemand kennt. Darüber lässt sich vor Ort vieles organisieren.
Zum Thema Sicherheit in Johannesburg: Es lässt sich nicht bestreiten, dass Johannesburg zu den Städten mit der höchsten Kriminalitätsrate der Welt gehört. Allerdings kann man hier auch problemlos sicher Zeit verbringen, wenn man sich an einige simple Regeln hält:
- Mietwagen nutzen
- Autos während der Fahrt von innen verriegeln
- Beim Parken das Abschließen kontrollieren und nichts sichtbar im Fahrzeug liegen lassen
- Optimalerweise nicht nachts alleine im Auto unterwegs sein
- Nachts an roten Ampeln nur halten, um kreuzende Autos passieren zu lassen, ansonsten vorsichtig weiterfahren
- Sich über die Gegenden informieren, in die man fährt (es gibt gänzlich unterschiedliche Stadtteile, einige sollte man zu 100% meiden, in anderen kann man wunderbar auch abends zwischen den Restaurants umherstreifen).
Ich habe sowohl fachlich unfassbar viel gelernt als auch prägende menschliche Erfahrungen gesammelt, die ich nicht mehr missen möchte. Daher kann ich jedem Medizinstudierenden einen Aufenthalt in der Trauma Emergency Unit am Bara nur ans Herz legen. Ihr werdet es nicht bereuen!