Wie viele meiner Mitfamulanten hatten mich die zahlreichen positiven Bewertungen (besonders zur Notaufnahme) dazu bewegt, eine Famulatur in Cuxhaven zu machen. Von unserem Start in der Notaufnahme wusste niemand, sodass die Personalbeauftragte äußerst überrascht war, dass wir alle in der ZINA (zentrale interdiszipilinäre Notaufnahme) starten sollten. Wir wurden dann zunächst noch teilweise in den OP und auf die Intensivstation geschickt, konnten jedoch schnell auch in die ZINA wechseln.
Wir waren dann schlussendlich 3 Famulanten und ein Hospitant (bzw. eher auch zusätzlicher Famulant) in der Notaufnahme. Aufgeteilt waren wir auf maximal 2 Assistenzärzte (einen internistischen und einen chirurgischen Assistenzarzt), die alleine für die ganze Notaufnahme verantwortlich waren. Dementsprechend schlecht war die Betreuung. Ein Großteil des Personals (ärtzlich und pflegend) besteht aus Honorarkräften. Sie sind selbst oft nur wenige Wochen im Haus und sind weder mit den Räumen noch mit dem Dokumentationssystem vertraut. In keinem Krankenhaus in dem ich bisher gewesen bin, ist der Personalmangel so offensichtlich: Bestehendes Personal ist konstant überlastet, durchschnittliche Wartzeiten von über 6 Stunden (selbst bei orange triagierten Patienten), mangelhafte Patientenversorgung... Famulanten werden in den Sommermonaten als Blutsauger eingespannt, da hier der Ansturm an Patienten einfach zu groß ist. Mehrfach waren wichtige Geräte und Materialien nicht dort wo sie sein sollten (z.B. Schockraum). Die Klinik versucht dies mit dem Personalengpass zu entschuldigen, jedoch sind viele der Mängel vermeidbar und daher einfach nicht akzeptabel.
Good clinical practise wird im Haus nicht besonders groß geschreiben. Viele der Ärzte kommen aus dem Ausland, was natürlich grundsätztlich sehr erfreulich ist. Aufgrund der Sprachbarriere fällt die Patientenkommunikation allerdings sehr spärlich und wenig empathisch aus. Es wird auch eine eher patriarchale Arzt-Patienten Beziehung gelebt, statt dem Patienten die Möglichkeit zur Partizipation zu geben. Ähnlich schwierig ist auch das Verhältnis zwischen Ärzte- und Pflegerschaft.
Zur Unterkunft: Wie bereits in vorhergehenden Berichten beschrieben bekommt man die Wohnungen (3er WGs) von Helios gestellt. Wichtig für alle die am Wochenende anreisen wollen: Einzug ist nur an Wochentagen möglich! WLAN gibt es immer noch nicht, wobei es zu uns hieß: Wir arbeiten daran...(wie lang das den Famulanten schon gesagt wird, wäre natürlich interessant zu wissen...). Man zahlt zum Auszug noch eine Reinigungspauschale von 20€, bei der wir uns allerdings einig waren, dass diese Reinigung nicht stattgefunden haben kann (Haare im Duschabfluss, schmutziger Kühlschrank- und Backofen, sandige Zimmer).
Letztendlich habe ich an Tag 2 meine Famulatur auf 2 Wochen verkürzt, da ich die Umstände in der Klinik einfach nicht tragbar fand. Auch was die Lehre angeht, konnte ich leider nicht viel mitnehmen. Einzig das Motto: Is kaputt, wir kümmern uns. Nicht so genau hinschauen, dann schaut's gut aus.
Um nicht nur Negatives festzuhalten, kommen hier noch ein paar positive Punkte:
- Motivierte Pflegekräfte, die sich auch mal die Mühe machen, den Famulanten etwas beizubringen
- Möglichkeit gut Blutabnehmen und Viggos legen zu lernen
- Möglichkeit zu nähen (man wird auch explizit in den OP eingeladen, mit der Aussicht nähen zu dürfen, da dort stets Mangel herrscht)
- Das Personal ist sich durchaus der Probleme im Haus bewusst. Vielleicht besteht Hoffnung auf Besserung und das Haus wird nicht komplett kaputtgespart.
- Cuxhavens Lage an der Nordseeküste/Elbmündung: Entspannte Abende am Strand kompensieren doch manche Frustration bezüglich des Klinikalltags.