Sittilingi ist ein besonderer Ort, sh. ältere Bewertungen. Es geht nicht nur um die reine Gesundheitsversorgung der tribal people, sondern auch darum um die Lebensumstände zu verbessern anhand (Farmes Association, traditonelle Stickerei (Porgais), Schule (Thulir)). Allein der Gedanke, Gesundheit nicht nur auf Medizin zu reduzieren war unglaublich spannend zu erahren.
Im Krankenhaus selber wurde ich unglaublich herzlich aufgenommen und hatte 4 wunderbare Wochen, in denen ich sehr viel gelernt habe. Neben der deutlich reduzierten Ressourcen und dem damit verbundenen anderen Denken (sehr viel "hands on"-Medizin, Wiederaufbereiten von sterilen Handschuhen, Einlegen von Nahtmaterial wenn etwas übrig ist nach dem Wundversorgen, so gut wie keine Einmalprodukte im OP) ist die Mentalität der ÄrztInnen und PatientInnen eine grundsätzlich andere als in Deutschland: Wenn Menschen die Hilfe suchen kommen, werden sie bedingungslos ernst genommen. Und die PatientInnen haben ein unglaublich tiefes Vetrauen in die Medizin, die im Krankenhaus praktiziert wird (Beispiel: im OP werden alle nur mit Spinalanästhesien operiert, da eine Allgemeinanästhesie viel mehr Risiken, Personal und Medikamente (Ressourcen) bindet - insofern sind die Pat. immer wach, egal ob bei der Hysterektomie, Leistenhernie oder Jejunoileostomie. D.h. sie liegen da, bekommen alles mit und haben nur einen alten Waschlappen um die Augen gebunden. Dennoch sind sie so entspannt, dass sie fast immer einschlafen und vertrauen, dass man sie aufweckt, sobald die OP vorrüber ist!).
Alltag im Krankenhaus:
Der Tag begann immer um 8.30Uhr mit einer Morgenmeditation, in der das gesamte Krankenhausteam zusammenkam. Auf die Meditation folgte eine recht spannende Visite auf der internistischen Station, in der immer viel erklärt wurde und wirklich spannende PatientInnen vorgestellt werden (viele fiebernde PatientInnen mit z.B. Dengue, Sichelzellkrisen, klasische MI oder Appendizitiden, Schlangenbisse, Suizidversuche durch Düngemittel-Intoxikationen...)
Anschließend gingen alle in ihre Abteilung, d.h. abhängig ob Ambulanz oder OP-Tag war. 1x/ Woche wurde in eine kleine Klinik 1h entfernt gefahren um dort in einer Ambulanz die Menschen zu betreuen, sodass diese keine so weite Anreise zum Krankenhaus hatten. Die Tage endeten, wenn keine Pat. mehr da sind, d.h. wenn der OP leer oder die Ambulanz abgearbeitet ist. Je nach Aufkommen war das zwischen 14 und 19Uhr, wenn es einem aber mal zu viel wurde konnte man auch immer eine (Chai-) Pause machen :). In der Ambulanz selber war es auch immer möglich, zwischen den behandelnden ÄrztInnen zu wechseln und so hat man viele verschiedene Arbeits- und Untersuchungsstile miterlebt, das war sehr spannend.
Studentische Tätigkeiten:
Ich durfte unglaublich viel nach einer Eingewöhnungsphase von einer Woche machen, aber das ist sicherlich auch immer vom Engagement abhängig. Egal ob 1./2. Assistenz im OP oder das Durchführen von kleineren Eingriffen selbständig oder die mehr oder weniger gute Anamnese + Untersuchen in der Ambulanz. Mein größtes Interesse lag allerdings in der Geburtshilfe, dies habe ich von Anfang an so kommuniziert und deswegen sehr viel Zeit (v.a. Nächte) im Kreißsaal verbracht. Nach realtiv kurzer Zeit durfte ich regelmäßig vaginal untersuchen, bei Geburten assistieren und letztendlich aktiv endbinden sowie Geburtsverletzungen nähen. Immer herrausragend von dem ärztlichen Team oder der Pflege betreut und angeleitet.
Unterkunft:
Ich habe anfangs mit zwei weiteren Studentinnen auf dem Campus der Stickerei gelebt, 10 Fahrradminuten vom Krankenhaus entfernt. Das war allerdings auch wunderbar, da man einen klaren "Cut" zwischen Krankenhaus und Freizeit hatte und die Unterkunft etwas größer und ruhiger (wie Indien ruhig sein kann) ist. Die Radfahrten zur Klinik morgens waren immer wieder ein Highlight und wir haben es unglaublich genossen, in diesem wunderschönen Dorf zu sein!
Nach zwei Wochen wurde ein Bett in einem Häuschen auf dem Krankenhausgelände frei und ich bin umgezogen, da die beiden anderen Studentinnen ihre Famuatur beendet und abgereist waren. Mit dem Umzug war ich mehr im Krankenhaus-Geschehen, habe viele Nächte im Kreißsaal verbracht und noch mehr mit den ÄrztInnen abends zusammen gesessen, erzählt, gespielt und getanzt. Die anderen ÄrztInnen wohnen auch auf dem Campus und verbringen Ihre Freizeit v.a. im Krankenhaus, d.h. wenn ein Notfall reinkommt steht eigentlich immer das gesamte Team da. Ansonsten haben wir zusammen Frisbee gespielt, Dorffamilien besucht und uns verköstigen lassen, sind zu Flüssen und Wasserfällen gelaufen/ gefahren, haben zusammen gekocht und eine wirklich schöne Zeit gehabt.
Verpflegung:
Es gibt 3 warme Mahlzeiten/ Tag, die auf dem Krankenhausgelände von Amma (=Großmutter, eine ältere Dorfbewohenrin) gekocht werden. Das Essen ist klassisch südindisch, mit viel Reis +Chutney/ Marsala, Reisküchlein, Reispfannkuchen oder Weizen-/ Roggenpfannkuchen. Besteck werdet ihr auf dem Gelände nicht finden. Tagsüber ist man aber auch häufiger zu dem local tea-shop neben dem Krankenhaus gelaufen und hat gemeinsam viele Chais getrunken oder indische Spezialitäten ausprobiert.
Fazit:
Zwei Aspekte hätte ich allerdings gerne vorher gewusst:
-Sprachlich: Die Bevölkerung und auch große Teile der Krankenschwestern sprechen kein Englisch, sondern nur Tamil. Insofern ist die Kommunikation oft an Hände und Füße gebunden. Das klappt im Alltag ganz gut, in Ambulanztagen kann es sehr zäh werden, über 8h immer nur darauf zu warten, dass die Ärztin neben einem dolmetscht - oder man versucht die ganze Zeit zu raten, worin das Problem des/ der Pat. liegt. Insofern fand ich die Ambulanztage aufgrund der großen Sprachbarriere oft mühsam. Das selbständige Anamnestizieren/ Untersuchen war insofern möglich, aber auch nur wenn jemand zum Übersetzten dazukam. Vielleicht als Hinweis, um Erwartungen zu adaptieren ;)
- Die Geburtshilfe: Wie erwähnt war ich in diesem Bereich besonders interessiert und er hat mich am meisten geschockt. Geburtshilflich ist Sittilingi in den 50ern stecken geblieben. Es gibt keinerlei Analgesie unter der Geburt, alle PatientInnen entbinden leztendlich ohne Begleitungung auf einer Metallliege , die wie ein Folterinstrument aussieht. Alle Geburten finden in Rückenlage statt und zu 80% werden Dammschnitte gesetzt. Die Dammschnitte sind fast immer ohne adäquate Lokalanästhesie und oft ziemlich tief. Auch Dammverletzungen wurden fast immer ohne wirksame LA genäht. Die Neugeborenen werden sofort von der Mutter getrennt und warm eingepackt im Nebenraum aufbewahrt, bis die Mutter versorgt ist - also kein Bonding oder ähnliches. In einem Dorf, was so von der Natur abhängig ist, hat man einer der natürlichsten Vorgänge, der Geburt, sämtliche Natürlichkeit abgesprochen. Das hat mich am Anfang sehr irritiert und war schwer auszuhalten. In Gesprächen über diese "Technik" wurde mir erklärt, dass es so funktionieren würde und die Säuglingssterblichkeit drastisch gesenkt worden sei in den letzten Jahren/ Jahrzehnten. Ob dies vielleicht auch an anderen Faktoren gelegen hat bleibt offen. Dennoch durfte ich viel in der Geburtshilfe machen und ich habe versucht, mein Wissen und wie es anders gehen kann miteinzubringen (weniger Dammschnitte, alternative Gebärpositionen, LA zum Nähen). Vielleicht ändert sich etwas über die Jahre und vielleicht könnt ihr mit etwas Sensibilität euren Teil dazu beitragen :)
Dennoch: Neben der Geburtshilfe war das Erleben von Dorfmedizin mit geringen Ressorcen sehr, sehr spannend und ich habe unglaublich viel dazugelernt. Sittilingi ist nicht Indien, das wurde mir sehr oft erklärt - die Arbeit im Krankenhaus und die Art, mit den Menschen umzugehen ist viel herzlicher und emphatischer, als man es in einem klassichen gouverment-hospital vorfinden würde. Allerdings scheinen sich sowohl die Pat. als auch das Krankenhausteam dieses Unterschieds sehr bewusst zu sein und leben diese Art von Wertschätzung und Herzlichkeit, sodass dass ich mich in den 4 Wochen unglaublich wohl gefühlt habe.
Bewerbung
1-2 Jahre im Vorraus, per Mail an thisittilingi@gmail.com.
Regi/ Tha sind die Ärzte, die das Krankenhaus aufgebaut haben. Ravi ist der Chirurg, der es aktuell medizinsich leitet. Mit Ravi hatte ich am meisten Kontakt und er ist unglaublich zuverlässig und nett.