Ich lade diesen Bericht hoch, weil ich die schlechten Bewertungen von FamulantInnen gelesen habe, die nach mir kamen, und ich sagen muss, dass meine Erfahrungen vom Juli 2022 ganz anders waren. Ich denke, wie gut oder schlecht eine Famulatur wird, hängt viel von den äußeren Umständen ab. Die Klinik ist eindeutig unterbesetzt, aber ich hatte das Glück, dass ich bei meinem Aufenthalt die einzige Famulantin in der Notaufnahme war und sich die zu der Zeit anwesenden Ärzte / Ärztin sich bemüht haben, mir viel zu zeigen.
Ich habe mich für die Notaufnahme in Cuxhaven entschieden wegen der ganzen positiven Famu Berichte die Jahre zuvor und weil ich mir das Telemedico anschauen wollte. (Telemedico - einzige deutsche Seenotrufzentrale für Notfälle/ärztliche Beratung auf Schiffen/Booten ohne Arzt)
2 Wochen war ich offiziell in der ZINA (zentrale interdisziplinäre Notaufnahme: Innere, Chirurgie, Pädiatrie), aber hab auf Nachfrage 3 Tage auf der Intensivstation verbracht und bin an den Tagen parallel mit dem Leitenden Notarzt NEF gefahren und hab die Anfragen im Telemedico mitbekommen.
ZINA:
Die ZINA wird immer besetzt von mind. 1 Internisten und 1 Chirurgen, bei Bedarf werden die Oberärzte oder Kollegen aus zuständigen Fachbereichen dazugerufen. Das war bei Urologie und Pädiatrie eigentlich täglich der Fall und 1-2Mal auch aus der Wirbelsäulenchirurgie. (Das Haus hat keine Neurologie, daher i.d.R. auch keine neurologischen Notfälle)
Ich habe bei allen Notfällen zugeschaut, die gerade anstanden bzw. bei denen, die ich am interessantesten fand – es kamen auch viele verschiedene Fälle und auch immer mal wieder ein Schockraum. Blut abnehmen und Viggos legen kann man, muss man aber nicht, weil das eig. die Aufgabe der Schwestern ist, habe es ein öfters freiwillig gemacht.
Wenn man will, kann man auch im OP assistieren (v.a. die Unfallchirurgen freuen sich). Ich hatte generell eher kein Bock auf OP, aber einmal habe ich bei einer Oberschenkelamputation assistiert, weil ich mir das mal anschauen wollte.
Generell waren alle so nett, dass man das Gefühl bekommen hat, man darf alles machen, wenn man nur fragt. Der CA der Orthopädie (glaube ich) und der CA der Notaufnahme (Dr. Herzog) haben mich auch zwischendurch gefragt, was ich mir noch anschauen möchte. Ich habe gefragt, ob ich mir das Telemedico anschauen kann, auf Intensivstation darf, mal im NEF mitfahren kann und beim Deichbrand dabei sein darf – und alles wurde total unkompliziert geregelt.
ITS + NEF + Telemedico:
Übernehmen die Anästhesisten – d.h. an den Tagen, an denen ich auf ITS war, bin ich auch NEF mitgefahren und habe die Telemedico Anfragen mitbekommen. Auf ITS ist meistens nicht soo viel los gewesen, weil wegen Personalmangel viele Betten gesperrt wurden. NEF fahren war aber echt cool – es lohnt sich mehrere Tage mitzufahren, weil man nie weiß, wann ein spannender Einsatz kommt.
Ins Telemedico kommen täglich Anfragen aus aller Welt und zum Teil auch echt interessante Fälle. Fand ich cool zu sehen, wie solche Fälle gemanaged werden und wie die Kommunikation so läuft mit internationalen Schiffen mitten auf dem Meer.
Deichbrand:
Es war das erste Jahr nach Corona, dass Deichbrand wieder stattfand. Die Tage / Wochen vor dem Deichbrand wurde in der Klinik echt viel darüber geredet, weil wohl jedes Jahr in der ZINA die Hölle los war, da die Helios Klinik das nächste Krankenhaus vom Festivalgelände ist.
Daher dachte ich mir schon, ich würde gerne eine Schicht an dem WE arbeiten. Habe dann in einem günstigen Moment gefragt, ob man als Famulant/in auf dem Deichbrand mithelfen darf und zu meiner Überraschung ging daraufhin eine Rundmail an alle Studenten im Haus, dass man sich melden soll, wenn man aufs Festival will.
Habe dann tatsächlich einfach so ein Bändchen für das ganze Wochenende gekriegt lol :D
Es wurde nicht wirklich überprüft, wie lange ich da war. Ich war Freitag von 12 bis 0 Uhr dort und zwischendurch für ein paar Acts weg gewesen. Generell kann man sagen, dass im Zelt vor 18 Uhr fast gar nix los ist und wir deswegen die meiste Zeit auf dem Campingplatz verbracht haben, also wenn man die interessanteren Fälle mitkriegen will, sollte man eher abends / nachts dort sein. Mir wurde auch angeboten, dass ich dort übernachten kann, das hat so spontan nicht in meinen Plan gepasst, aber wär auf jeden Fall möglich gewesen.
Was ich in den 2 Wochen gemacht habe:
ZINA: Patientenanamnese und Untersuchung, Braunülen legen, Blut abnehmen, Lokale spritzen und Nähen, Sono
ITS: Telemedico Fälle besprechen, NEF mitfahren
OP: assistieren
Sonst: aufs Deichbrand gehen als Famulantin
Pro:
- gratis Mittagessen
- man darf sich anschauen und mitmachen, was man will
- es waren wirklich ALLE nett, man wird gern gesehen als Famulant
- sowohl auf Intensiv, als auch in der ZINA war das Verhältnis zwischen den Mitarbeitern echt gut - auch zwischen den Ärzten / Chefärzten und Krankenpflegern (im Vergleich zu dem, was ich sonst kenne von anderen Kliniken)
- auf Nachfrage kann man sich ein Fahrrad kostenlos ausleihen von Dr. Philip (was das Leben wirklich erleichtert, weil überall Fahrradwege sind und die Busverbindungen schlecht sind)
- im Sommer viele coole Aktivitäten
- Deichbrand
Contra:
- die Wohnung
Unterkunft:
Die Unterkunft ist 10min zu Fuß, 5min mit Fahrrad von der Klinik entfernt. Die Wohnung ist eig. echt okay, wenn sie nicht so schmutzig gewesen wäre, als ich eingezogen bin, weil sie wohl "lange nicht mehr bewohnt" war (weiß nicht, was die Reinigungspauschale soll).
Man kommt in 3er WGs unter, ich war das erste WE allein, paar Tage später kam mein Mitbewohner und das dritte Zimmer blieb bei meinem Aufenthalt leer (und abgeschlossen).
Die Zimmer sind recht einfach ausgestattet, in meinem Zimmer haben Schreibtisch und Stuhl gefehlt, was eig. zur Basisausstattung gehört, war aber ok für 2 Wochen.
Es gibt in der Wohnung kein WLAN, je nach Handytarif auch kein Empfang. In der Klinik gibt es dafür WLAN, hat bei mir semigut funktioniert.
Sonst gibt es noch Waschmaschine und Trockner im Keller, Waschmittel nicht.
Anreise ist übrigens nur unter der Woche und nur zu bestimmten Zeiten möglich (z.B. freitags bis 14h, sonst bis 16h oder so).
Vielleicht noch paar Infos zur Entfernung:
Einkaufen kann man gut im Marktkauf – 5min mit Fahrrad
Bis zum Bahnhof – 5min Fahrrad
Bis Alte Liebe – 10min Fahrrad
Bis zum Strand Duhnen vor dem Thalassobad – 30-40min Fahrrad
Cuxhaven --> Hamburg 1:45h mit der Regio
Cuxhaven --> Bremerhaven 45min Regio
Freizeitaktivitäten:
Kann man bei Cuxtipps (im Internet oder in der Broschüre) nachlesen, im Sommer gibt es viele Events – zu meinem Aufenthalt war das Deichbrand Festival, das Duhner Wattrennen und das Duhner Promenadenfest.
Es spielt immer irgendwo Live-Musik in Cuxhaven und Shoppen /Einkaufen kann man bei vielen Läden auch sonntags (weil Urlaubsort).
Das Thalasso Bad bei Duhnen ist sehr zu empfehlen – die Becken sind mit Salzwasser gefüllt und es gibt viele verschiedene Saunen, die man ausprobieren kann.
Vor dem Thalasso Bad werden gratis Yogasessions angeboten (Termine in Cuxtipps nachschauen), die sind auch sehr empfehlenswert!
Ein Ausflug nach Hamburg und Bremerhaven und ein Besuch im Klimahaus Bremerhaven lohnen sich am Wochenende, man sollte für das Klimahaus aber mind. 4h einplanen.
Man könnte auch mit der Fähre nach Helgoland fahren, was ich bestimmt mal gemacht hätte, wenn ich länger da gewesen wäre.
Ansonsten werden in Cuxhaven täglich Wattwanderungen angeboten und bei gutem Wetter und Flut kann man auch baden gehen z.B. bei Grimmershörn.
Meine 2 Wochen waren gut gefüllt mit interessanten Erfahrungen in der Klinik und coolen Freizeitaktivitäten, ich war positiv überrascht von Cuxhaven :)
Bewerbung
Ganz unkompliziert über Herrn Dr. Raufhake (CA der Anästhesie) per Mail mit Lebenslauf, Phsyikumszeugnis, Studienbescheinigung. Habe etwas mehr als 1 Jahr im Vorfeld angefragt (geht bestimmt auch später), damals war alles voll für dasselbe Jahr, sodass ich dann auf den nächsten Sommer verschoben habe.
