Eine Famulatur in Kapstadt ist definitiv eine Erfahrung, die sich von Famulaturen in deutschen Kliniken unterscheidet.
Kapstadt ist eine der meist entwickelten Städte in ganz Afrika und das Groote Schuur Hospital eines der (staatlichen) Krankenhäuser des Kontinents, das am ehesten an deutsche Verhältnisse rankommt.
Einige Unterschiede gibt es natürlich dennoch, z.B. wird deutlich weniger Diagnostik gemacht (Blutabnahmen, Bildgebung), da die Ressourcen einfach begrenzt sind. Zudem ist die hohe Kriminalitätsrate des Landes omnipräsent. Dies merkt man u.a. an Kameras in wirklich jedem Winkel des Geländes (einzige Ausnahme sind die Toiletten) und dem Sicherheitsdienst, sowie den Einlasskontrollen an den Eingängen inkl. Taschenkontrollen beim Rausgehen.
Vorbereitung der Famulatur:
Die Bewerbung erfolgt bei der University of Cape Town bei Frau Kelly Crowster (oder Thandi Davids). Da Kapstadt beliebt ist (v.a. bei Deutschen und Österreichern) sollte man sich am besten 2 Jahre im Voraus bewerben. Die Kommunikation erfolgt dabei per Mail und kann teilweise recht nervig sein, da es manchmal lange dauert, bis man eine Antwort erhält. Zudem muss man für den Zeitraum des Aufenthalts Studiengebühren bezahlen (15 000 Rand für 4 Wochen = knapp 800€). Diese werden wochenweise berechnet, weshalb man mit den standartmäßigen 4 Wochen nur auf 28 Tage kommt und somit 2 Tage zur Anrechnung der Famulatur fehlen. Manche mussten deshalb für 5 Wochen bezahlen, um somit über die 30 Tage zu kommen, andere haben hingegen 30 Tage aufgeschrieben bekommen, obwohl sie nur für 28 Tage bezahlt hatten. Aber auch, wenn sie einem 30 Tage aufschreiben, darf man sich theoretisch nur 28 Tage lang in der Klinik blicken lassen, da man ja nicht für mehr bezahlt hätte.
Letztendlich benötigt man die Unterschrift auf dem Famulaturzeugnis ohnehin von einem Arzt der Abteilung, in der man eingeteilt ist. Es genügt also absolut nur 4 Wochen zu bezahlen, da einem die Ärzte normal sowieso das aufschreiben, was man benötigt. Am besten sucht man sich in dem Fall einen Consultant, mit dem man sich gut versteht und es merkt dann ohnehin keiner von der Uni.
Am ersten Montag findet eine Einführung durch Kell Crowster statt, bei der man ein paar allgemeine Information erhält und einen Kontakt zur jeweiligen Abteilung in der Klinik. Dieser Person soll man dann eine Mail schreiben und fragen, ob man sich am selben Tag vorstellen kommen soll oder erst am nächsten Morgen erscheinen soll, was meist der Fall ist. Somit passiert nach der ca. 30 Minuten Einführung am ersten Tag nichts mehr. Im Hinblick darauf, dass man pro Arbeitstag 750 Rand an Gebühren zahlt, ist das, meiner Meinung nach, zumindest diskutabel.
Zur Arbeit in der Neurochirurgie:
Die Kontaktpersonen sind Dr. Sally Rothemeyer und die Sekretärin der NC (Vuyiwe Bathaka). Von Dr. Rothemeyer erhält man, nachdem man ihr montags die Mail schreibt, das „Handbuch“, in dem der Aufbau der neurochirurgischen Abteilung erklärt wird, sowie der Wochenplan enthalten ist.
Kurz zusammengefasst: Die NC gliedert sich in Red firm (v.a. Onkologie, also Hirntumoren), Blue firm (Schädelbasis und endovaskuläre NC), Green firm (Wirbelsäule), pädiatrische Neurochirurgie (im Red Cross War Memorial Children´s Hospital stationiert, wenige km entfernt) und ICU (Intensivstation). Man rotiert jeweils eine Woche durch jede der 4 erstgenannten Abteilungen.
Die Station der Neurochirurgie ist im großen Hauptgebäude des Groote Schuur Hospitals (Ward F7). Hier liegen gemischt Patienten vom roten, blauen und grünen Team.
Jeder Morgen startet um 7:00 mit der Visite (außer freitags um 8:00), bei der die Teams seine Patienten visitiert. Hierbei ist schon etwas gewöhnungsbedürftig, dass mit den Patienten wirklich nur das nötigste gesprochen wird, wenn überhaupt und ansonsten nur über sie gesprochen wird und auch Rückfragen der Patienten teils komplett ignoriert werden.
Um 7:45 startet die Morgenbesprechung im Hörsaal des Neuroscience Institutes (moderner Anbau am Gebäude), die meist ca. 15 Minuten dauert. Danach geht es je nach Wochentag den ganzen Tag in den OP (montags green firm, dienstags red firm, donnerstags blue firm), solange bis alle OPs erledigt sind (Ende meist zwischen 14:00 und 18:00).
Die Teams, die keinen OP-Tag haben, gehen meist erstmal Kaffee trinken (im Neuroscience Institut absolut zu empfehlen) und erledigen danach organisatorisches oder gehen auf Station. Wenn sie akut nichts mehr zu tun haben, gehen sie auch mal um 10:00 nach Hause (außer mittwochs, da ist ab 11:00 für alle Teams „Clinic“, also Ambulanz).
Generell ist das Arbeitsleben entspannter als in Deutschland, auch wenn die Ärzte immer sagen, wie stressig ihr Tag wäre. Stressig sind allerdings die Dienste, bei denen 1 Registrar ab Nachmittag, die ganze Nacht allein und ab dem nächsten Morgen bis zum Nachmittag mit seinem Team für alle Notfälle verantwortlich ist. Wenn sein Team an diesem nächsten Tag auch noch standartmäßig OP-Tag hat muss er sich dreiteilen. Das heißt, es kann sein, dass ein Arzt von elektiven OPs, Notfall-OPs + seinen normalen Aufgaben für alles zuständig ist, während er seit 36h arbeitet, während gleichzeitig andere nach 3h arbeiten um 10:00 wieder gehen. Hier gilt das Motto „einer stirbt und der Rest geht nach Hause“.
Generell wird einem von allen Seiten direkt klar gemacht, dass man selbst entscheiden soll, weshalb man hier ist, also um etwas zu lernen, um Urlaub zu machen (oder eben beides). Es interessiert keinen, ob man kommt, was man sich anschaut oder was man wissen möchte. Das hat den Vorteil, dass man sich alles anschauen kann, was man möchte. Die Einteilung in die Teams mit wöchentlicher Rotation ist also irrelevant (außer vlt in der Woche, in der man ins Red Cross soll, da dieses räumlich getrennt ist). Im OP sieht man am meisten, weshalb man am besten jeden Montag, Dienstag und Donnerstag dorthin geht. Mittwochs dann in die Klinik und freitags passiert, außer Teaching um 9:00 auf Station und einer längeren Morgenbesprechung ab 9:30, meist nichts.
Wenn man sich andere Stationen anschauen möchte, ist dies auch kein Problem, man müsste nicht mal Bescheid sagen, weil eh keiner nach einem sucht.
Wenn man etwas wissen möchte, sollte man immer den Mut haben selbst aktiv nachzufragen. Tut man dies nicht und schaut sich etwas einfach nur an, wird man von den meisten wie Luft behandelt, auch eine Begrüßung bleibt dann teils unbeantwortet.
Wenn es darum geht, was man selbst tun darf, ist man hier leider sehr beschränkt. Es sind natürlich keine zentralafrikanischen Verhältnisse, wo man als bestausgebildete Person in einer Lehmhütte Blinddärme entfernt und Kinder zur Welt bringt.
Es ist eine Uniklinik mit nahezu europäischen Verhältnissen und gerade in der Neurochirurgie ist man als Student sehr beschränkt in seinem Können. Im OP heißt es also größtenteils stehen und schauen. Dies hängt allerdings wiederum von den Teams und den Ärzten ab, bei denen man ist. Bei rot und grün darf man sich eher mal mit Einwaschen um Haken zu halten und spülen (viel mehr wird´s meist nicht). Bei blau ist das unwahrscheinlich, dafür sieht man mehr, da hier meist das OP-Mikroskop eingesetzt wird.
Wenn man in den Not-OP geht, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich höher als bei den elektiven OPs, da hier der Diensthabende allein operiert.
Also: sehen kann man alles, machen darf man wenig, müssen tut man nichts.
Zur Stadt:
Kapstadt ist eine tolle Metropole mit atemberaubender Landschaft. Viel dazu schreiben brauche ich denke ich nicht, zu den Besichtigungsmöglichkeiten gibt es ja ausreichend Infos im Internet.
Bzgl. der Mobilität bleibt zu erwähnen, dass Uber günstig und sicher ist und man als Tourist den ÖPNV, allen voran die Taxis (Kleinbusse, die ihren Zielort aus dem Fenster schreien), unbedingt meiden sollte!
Alles in allem ist es eine lehrreiche Erfahrung, sowohl im Hinblick auf das Krankenhaus, als auch das Land als solches. Man darf allerdings den zeitlichen, organisatorischen und finanziellen Aufwand, die mit dieser Famulatur einhergehen, nicht außer Acht lassen.
Dementsprechend sollte jeder für sich überlegen, was man sich von dieser Famulatur erhofft und was man möchte, um abzuwägen, ob es für einen selbst lohnenswert ist