Als mir der Platz für meine Famulatur auf der P1 - Station für Gerontopsychiatrie angeboten wurde, war ich erst nicht wirklich begeistert, da es hier in meiner Vorstellung nur „demente, depressive Omis“ zu behandeln gab und ich eigentlich einen Einblick in die Akutpsychiatrie bekommen wollte. Ich habe den Platz trotzdem angenommen und bin im Nachhinein echt froh, denn meine Vorstellung war völlig falsch.
Die Gerontopsychiatrie befasst sich eigentlich mit allen Krankheitsbildern und das einzige „Aufnahmekriterium“ ist das Alter (ca 55 Jahre +/-). Dementsprechend hatte ich die Möglichkeit ein großes Spektrum Krankheitsbildern zu sehen - z.B. Depression, bipolare Störung, Schizophrenie, Persönlichkeitsstörung, dementielle Syndrome etc. Von Beginn an wurde ich herzlich im Team aufgenommen und durfte immer bei Gesprächen/ Untersuchungen dabei sein bzw. eigene Gespräche mit PatientInnen führen. Das Team bestand aus 3 Stationsärzten, 1 PJlerIn und 1 Oberarzt. Aber durch Dienste und Urlaub waren meistens höchstens 2 der SA da und somit auch meistens ein Büro frei, welches ich mir mit dem PJler und der PJlerin teilen konnte.
Jeder Tag begann mit 2 Übergaben, der Übergabe auf Station und der großen Übergabe der gesamten psychiatrischen Klinik vom Tag- & Nachtdienst des Vortages. Danach konnte ich meinen Tag immer recht frei gestalten. Ich war für die Blutentnahmen zuständig (allerdings gab es nie besonders viele) und habe die Ärzte bei ihren Gesprächen mit den PatientInnen begleitet, Telefonate geführt, viel selber mit den PatientInnen gesprochen, dokumentiert usw. An einem Tag der Woche fand immer eine große Behandlungskonferenz (letztendlich eine große Visite) statt, in der im gesamten Team (Ärzte, Psychologen, Psycho-, Physio-, Ergotherapeuten, Pflege, Sozialpädagogen) mit dem Patienten der weitere Behandlungsverlauf besprochen wurde.
Zusätzlich gab es 1x/ Woche einen Journal Club, in dem ein wissenschaftliches Paper vorgestellt wurde, 1x/ Woche eine kurze Fortbildung und 1x/ Woche eine Fallvorstellung, in der eine Station einen besonders spannenden Fall vorgestellt hat, inklusive anschließendem Patientengespräch und Diskussionsrunde.
Mit ein bisschen Eigeninitiative war es auch immer möglich mal auf anderen Stationen zu hospitieren oder bei einem Dienst mitzulaufen. So durfte ich an den Behandlungskonferenzen der FEPS - Früherkennung und -Behandlung psychischer Störungen junger Menschen und der Station für Akuterkrankungen teilnehmen und eine Visite auf der Station für Angst- und Zwangsstörung begleiten, ebenso einen Dienst in der Notaufnahme.
Die Stimmung im Team war sehr gut, es waren Alle immer offen für Fragen und Gespräche, ob beim täglichen gemeinsamen Mittagessen in der Mensa des UKEs oder einfach im Büro. Ich habe sehr viel mitnehmen & lernen können und bin sehr positiv überrascht über die Gerontopsychiatrie aus meiner Famulatur gegangen. Wie viel Informationen über PatientInnen man über ein gutes Gespräch und die richtigen Fragen herausfinden kann, ist sehr beeindruckend.
Wenn man allerdings jemand ist, der auf viel Action und Adrenalin steht, ist eine Famulatur hier vielleicht nicht das Richtige.
Kritik:
Es gab für mich kein Namensschild bzw Mitarbeiterkarte, was ich als sehr nervig fand, da die Karte zum einen als Schlüssel (Büro, Toiletten…), zum anderen zum Bezahlen in der Mensa dient. Es gab zwar Gastkarten auf Station aber die wurden nach dem Motto „first come first serve“ vergeben und bezahlen konnte man mit denen leider nicht. Mir wurde jeden Tag das Essen von jemand anderem gezahlt und wir haben das dann über Paypal geregelt. Das Mittagessen wird nicht, wie in manch anderen Unikliniken, bezahlt.
Außerdem wusste an meinem ersten Tag keiner, dass ich komme. Aber das ist bei Famulaturen ja keine große Überraschung und war auch kein großes Problem :D
Wenn man an der Psychiatrie interessiert ist, kann ich eine Famulatur am UKE nur empfehlen!
Bewerbung
Ich habe mich kurz vor Weihnachten beworben und die Zusage zwischen den Jahren bekommen.
