OP der 2. chirurgischen Klinik (allgemeine und gynäkologische Chirurgie)
Fachrichtung
Anästhesiologie
Zeitraum
8/2024 bis 8/2024
Einsatzbereiche
OP
Heimatuni
Hamburg
Kommentar
Kurz vorab: es handelte sich um ein observational internship. Das mag zum Teil daran gelegen haben, dass ich aus organisatorischen Gründen als Famulantin in der Allgemeinchirurgie und nicht Anästhesie gelistet war und sich die Anästhesistinnen deshalb nicht sicher waren, inwiefern ich in ihrer Abteilung rechtlich abgesichert bin. Aber auch die rumänischen Studierenden haben so gut wie keine praktischen Tätigkeiten ausgeführt. Für wen dies der maßgebliche Grund für eine Anästhesie-Famulatur ist sollte sich Timisoara gut überlegen.
Wem aber das (sehr gute!) theoretische Teaching, viel Freizeit und die kulturelle Erfahrung wichtiger sind, dem sei die Anästhesie in Timisoara wärmstens empfohlen.
Sprache:
Alle Ärzt:innen haben sich viel Mühe gegeben für mich Englisch zu sprechen, nicht wenige sprachen auch Deutsch. Die jungen Ärzt:innen sprechen gut bis sehr gut Englisch, etwa so wie in Deutschland. Die Oberärzt:innen teilweise eher schlecht, andere hingegen exzellent, weil sie einige Jahre in Irland gearbeitet haben. Macht euch bezüglich der Sprache keine Sorgen. Da es eine romanische Sprache ist, hört man sich schnell ein, bekommt mit, worum es grob geht und kann auch die Akten gut lesen. Ich hatte vorab keinen Sprachkurs belegt, sondern im Selbststudium die absoluten Basics gelernt. Das reichte für die Anästhesie völlig aus.
Unterricht:
Mehrmals die Woche bietet ein Oberarzt, der lange in Irland gearbeitet hat, 2-4-stündige teaching sessions für alle Famulierenden an, eigentlich auf rumänisch, aber mir zuliebe komplett auf Englisch. Hier gab es Fallbesprechungen und Vorträge zu Themen wie Regionalanästhesie. Darüber hinaus waren alle sehr bemüht mir so viel wie möglich zu zeigen und beizubringen. Da Anästhesie in Rumänien erst im letzten Studienjahr unterrichtet wird waren sie total beeindruckt von meinem Vorwissen (ich hatte das Fach im vorigen Semester) und sehr bereit mir alle möglichen Details zu erläutern. Die Anästhesie in Timisoara gilt als die beste im ganzen Land und verfügt über sehr moderne Geräte. Dennoch fehlen immer wieder essenzielle Medikamente, was Einfallsreichtum und Umdenken erfordert. Das zu sehen war sehr spannend.
Arbeitszeiten:
So viel oder wenig, wie man möchte. Ich war meist ab 8:30 da, weil dann die Einleitungen losgingen und zwischen 12 und 14 Uhr gegangen, da uns Mittagessen von einem sehr guten Restaurant ins Wohnheim geliefert wurde. Im August war durch die Ferienzeit nachmittags meist eh nicht mehr viel los.
Land und Leute:
Rumänien ist ein wahrer hidden gem. Dieses Land hätte ich unter anderem Umständen wahrscheinlich nie bereist und kann nun rückblickend sagen, dass das ein riesiger Verlust gewesen wäre. Innerhalb Osteuropas nimmt Rumänisch aufgrund seiner Nähe zu anderen romanischen Sprachen eine Sonderrolle ein Basisniveau zu erreichen ist daher relativ leicht. Zudem finden sich an vielen Stellen im Land Hinweise auf die seit dem 12. Jahrhundert bestehenden deutschen Minderheiten in Rumänien, was wirklich faszinierend ist (deutsche Schulen, Theater, Straßenschilder, Infotafeln und Architektur).
Timisoara wurde 2023 zur europäischen Kulturhauptstadt gewählt und das merkt man auf Schritt und Tritt. Die Stadt atmet Kultur aus allen Poren, was eine ganz besondere Atmosphäre schafft. Am besten gefiel mir das an Wien orientierte Stadtzentrum mit drei großen Plätzen, die alle über Fußgängerzonen miteinander verbunden sind, sowie das riesige Angebot an Open-Air Konzerten, modern und klassisch, Oper und Ballett.
Fazit:
Ich bin so froh in Rumänien gelandet zu sein. Ich hatte eine tolle Zeit mit den anderen Incomings in Timisoara, den engagierten Volunteers und motivierten Anästhesistinnen. Es war sehr heiß (40 Grad, kein Wind, wolkenlos), aber abgesehen davon war alles in seiner gewissen Unperfektheit perfekt. Arbeiten würde ich dort aufgrund der niedrigen Gehälter (ca. 1200€ netto über die gesamte Assistenzarztzeit) und der Mangelzustände in der Klinik nicht wollen, aber jetzt weiß ich das deutsche Gesundheitssystem noch viel mehr zu schätzen. Was wir uns von den Rumänen abschauen sollten, ist aber definitiv der herzliche fröhlichere Umgang miteinander im Krankenhaus. Meine Erwartungen wurden voll erfüllt und ich bin unheimlich dankbar für dieses Abenteuer.
Bewerbung
Ich habe meine Famulatur über die bvmd gemacht, wodurch eine kostenlose Unterkunft und Mittagessen unter der Woche gestellt wurden, sowie ein sehr umfangreiches Social Program, Transfer vom Flughafen ins Wohnheim, Begleitung auf Station am ersten Famutag. Das kann ich sehr empfehlen, zumal Rumänien bislang so unterschätzt ist, dass fast jedes Jahr mehrere Restplätze übrig bleiben, auf die man sich sehr unkompliziert first come first served bewerben kann. Es braucht einzig ein gültiges Englischzertifikat. Für mehr Infos siehe website der bvmd AG Austausch.
https://www.bvmd.de/unsere-arbeit/austausch/