Dass Anästhesisten eigentlich immer nett und entspannt sind, hat sich mir gleich am Anfang bestätigt. In den ersten drei Wochen meiner Famulatur war ich im OP eingesetzt und durfte bei den Einleitungen mitmachen, wobei ich stets freundlich aufgenommen wurde. Während ich in der ersten Woche noch zurückhaltend unterwegs war und sowohl bei Einleitungen, als auch bei diversen Operationen (v. a. Knie- und Hüft-TEP, Prostataresektionen, Hysterektomien, Laparotomien bei freier Luft, Thorakotomien, verschiedenen Lappenplastiken, neurochirurgischen Wirbelsäulen-Eingriffen, einer Nephrektomie, Katarakt-OP, Sectio caesarea, diversen gefäßchirurgischen Eingriffen, Amputationen, ...) viel zugeschaut habe, habe ich mich ab der zweiten Woche bemüht, möglichst viel an praktischen Fertigkeiten zu lernen. Dies war ohnehin mein primäres Ziel für die Famulatur, da ich im Studium kaum Praxis habe und mich in der Klinik folglich oft sehr ungeschickt/unerfahren fühle. So durfte ich Dutzende pVKs fast aller Größen legen, Beutel-Masken-beatmen, Larynxmasken schieben und unter Oberarzt-Aufsicht auch intubieren. Bei arteriellen Punktionen, Spinal- und Epiduralanästhesie, ZVK-Anlage und verschiedenen regionalanästhetischen Verfahren konnte ich oft zuschauen und teilweise assistieren.
Dabei war ich, außer zur Einführung an den ersten Tagen, nie an einen Arzt/Ärztin gebunden, sondern konnte von Einleitung zu Einleitung bzw. OP-Saal zu OP-Saal wechseln wie ich wollte. Ich würde sehr empfehlen, aktiv nach der Übernahme bzw. dem Erlernen von Tätigkeiten zu fragen und dabei klar den eigenen Kenntnisstand zu kommunizieren. Vorher hatte ich beispielsweise pVK legen und Intubation nur am Modell geübt (und das auch nicht wirklich oft) und Larynxmasken noch gar nicht geschoben und wurde dennoch Stück für Stück dorthin geführt.
Wenn gerade bei längeren OPs nicht viel zu tun war und auch sonst keine Einleitungen stattfanden, haben vor allem die Oberärzte verschiedene Themen mit mir besprochen. Welche Werte sieht man am Monitor? Auf welche (patho-)physiologischen Vorgänge deuten Veränderungen hin? Welche Medikamente werden in der Anästhesie genutzt, wie wirken sie? Wie therapiert man Broncho-, Laryngospasmus? Was passiert bei einer Intoxikation mit Lokalanästhetika? Auch das Schallen von Plexus cervicalis und brachialis supra- und infraclaviculär wurde mir hier beigebracht.
Natürlich gibt es jeden Tag öfter Zeiträume, in denen nichts zu tun ist und einem auch der Gesprächsstoff ausgeht. Dafür empfehle ich die Mitnahme eines medizinischen Fachbuchs, sei es zu Anästhesie, wenn man das machen möchte, sei es was anderes, um die Zeit sinnvoll zu nutzen.
An einem Tag bin ich bei den Prämedikationsgesprächen mitgegangen und durfte auch selbst eines führen.
Die letzten anderthalb Wochen durfte ich, nachdem ich aktiv danach gefragt hatte, auf die operative Intensivstation wechseln, die zum einen Patienten betreut, die postoperativ ein Intensivbett brauchen, zum anderen auch Polytrauma-Patienten. Des weiteren ist das ärztliche Team dort mitbetreuend für den Schockraum verantwortlich und stellt das innerklinische Reanimationsteam.
Dementsprechend schwer vorhersehbar ist, was einen über den Tag erwartet. Einmal hatten wir 11x Reanimationsalarm, davon 10 falsch und einer echt. Dies war meine erste Reanimation, in die ich auch aktiv eingebunden, jedoch stets darauf geachtet wurde, dass ich das Vorgehen bisher nur von der Übungspuppe kannte. Dementsprechend habe ich mich zu keinem Zeitpunkt überfordert, aber trotzdem als nützlicher Teil des Teams gefühlt.
Auch im Schockraum durfte ich oft dabei sein, wobei mir in der Regel eine Zuschauerrolle zukam, was jedoch an sich schon spannend war und sicherlich auch einen großen Lerneffekt hatte.
Nicht weniger abwechslungsreich ist der Alltag auf Intensivstation selbst. Dort durfte ich Lunge und Herz schallen, selten mal ein EKG auswerten, über die Bedeutung einzelner Laborparameter grübeln und Patienten mituntersuchen. Ein sehr motivierter Oberarzt ging mit einer PJ-Studentin und mir fast täglich verschiedene klinische Fälle durch (z. B. Pat. mit akutem Nierenversagen) und besprach mit uns ausführlich die Pathophysiologie von Sepsis, Hirntod und anderen Krankheitsentitäten. Zudem simulierten wir mit einer Puppe verschiedene Reanimationsszenarien, in denen die PJlerin und ich das Reanimationsteam darstellten und eigenständig Entscheidungen treffen und die Ursache für das Kreislaufversagen finden mussten.
Alles in allem war die Famulatur in theoretischer genauso wie praktischer Hinsicht äußerst lehrreich, sodass ich die Anästhesie in Kulmbach fast uneingeschränkt weiterempfehlen kann. Man muss sich allerdings darauf einstellen, dass die Tage auf Intensiv sehr lang sein können - ich war jeden Tag um 6 da und nie vor 16 Uhr draußen, teilweise erst um 17 Uhr. Das hat mich persönlich wenig gestört, da ich das Gefühl hatte, in der langen Zeit viel mitzunehmen und auch das Arbeitsklima als sehr angenehm empfand - übrigens ging es auch zwischen Pflege und Ärzten sehr kollegial zu. Auf Nachfrage dürfte man aber bestimmt auch früher gehen.
Bewerbung
Bewerbung ca. halbes Jahr vor Famulaturbeginn
Außer mir noch eine PJlerin und zeitweise eine PA-Studentin (steht für Physician assistant)
Meine zweite Famulatur (nach 7. Fachsemester)
Essen bei Famulatur und Pflegepraktikum kostenlos, im PJ muss man leider selber zahlen :(
Dienstzeiten:
Anästhesie 7:45 - 16 Uhr (bin aber oft früher gegangen)
operative Intensivstation: für Famulanten 6:00 bis 16 Uhr oder später
Im August täglich eine Stunde Unterricht für PJ und Famulatur quer durch fast alle klinischen Fächer, davor und danach 1x/Woche