Ich wusste schon länger, dass ich gerne eine Famulatur in England machen möchte um das NHS und generell das angelsächsische System besser kennenzulernen. Und hab mich durch Recherche hier bei Famulatur-ranking für die Notaufnahme in Eastbourne entschieden.
Das EDGH ist ein kleines Krankenhaus mit knapp 400 Betten, und nur den nötigsten Fachbereichen. Die Notaufnahme heißt Accident& Emergency. Man wird als Famulant jeden morgen nach der Übergabe gegen 08:15 einem der Ärzte oder Advanced Clinical Practitioners zugeteilt bei denen man mitläuft. Es gibt einen mittleren Bereich der mit dem Schockraum vergleichbar ist und noch 3 weitere Bereiche wo Patienten auch länger, z.T. auch über Nacht bleiben können um z.B. iv Antibiose zu bekommen. Pro Tag habe ich mit den Ärzten zwischen 4 und 10 Patienten gesehen. Man macht die üblichen Anamnesen, KU, schaut sich Laborwerte, CTs und EKGs an. Ärzte machen in England keinen Ultraschall, dafür gibts einen eigenen Beruf, und auch keine Blutentnahmen: deshalb sieht man davon eher weniger und hat selbst praktisch nicht sehr viel zu tun. Patienten aufnehmen und untersuchen darf man jedoch reichlich. Lehre scheint viel selbstverständlicher stattzufinden, ob für mich als Studentin oder für die Assistenzärzte. Nach jeder Übergabe gab es auch die Frage "Any Learning from today?" wo spannende Fälle, oder Fehlerquellen durchgesprochen wurden. Generell gab es aufgrund von Fehlern nie Ärger, sondern es wurde einfach gemeinsam aufgearbeitet. Das Team ist sehr international, deshalb bin ich als Ausländerin nicht rausgestochen, man hat sich eher über die unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen mit den Kollegen ausgetauscht, das war ein cooles Add-on. Die Patienten sind auch deutlich offener und freundlicher als in Deutschland, vor allem nach den dortigen Wartezeiten (normalerweise 4-9h....). Deshalb herrscht insgesamt eine sehr gute und freundliche Arbeitsatmosphäre. In der zweiten Hälfte kam eine Gruppe Studenten für das Praktikum in deren letztem Jahr an und ich konnte an deren Studentenunterricht teilnehmen. Dieser war sehr gut organisiert und die Ärzte haben sich v.a. in den UAKs extrem viel Mühe gegeben. Außerdem gibt es regelmäßig Resuscitation Trainings wo echte Notfall-Situationen simuliert wurden, das fand ich auch sehr hilfreich. In freien Minuten haben mich Ärzte in der Notaufnahme zu EKGs und Röntgenbildern abgefragt. Ich bin meistens gegen 17h geblieben, man kann aber auch durchaus früher gehen, das war eigentlich allen egal. Ich habe auch einen Nachtdienst mitgemacht was eine spannende Erfahrung war.
Insgesamt habe ich medizinisch also wirklich viel lernen können und würde das allein von dieser Seite empfehlen.
Anreise, Unterkunft & co:
Ich bin nach London Heathrow geflogen, hab von da die Elizabeth Line zum Paddington und von da die Tube zu Victoria genommen - von da fährt Mo-Sa halbstündig die Southern Service nach Eastbourne. Wenn man Flüge nach London Gatwick findet ist die Anreise jedoch viel einfacher, weil von dort ein direkter Zug nur 30min nach Eastbourne fährt. Vom Bahnhof kommt man mit Bus und Taxi schnell und günstig zum Krankenhaus.
Ich habe im Wohnheim des Krankenhauses in einer 3er WG gewohnt. Im Wohnheim leben viele Mitarbeiter die neu in England sind, Studis die für ihr PJ da sind und junge Ärzte die durch England routieren. Die Lebensbedingungen sind spärlich aber man hat alles was man braucht. Im ca. 8qm großen Zimmer hat man ein Bett (recht bequem), zwei Schränke, Schreibtisch und Stuhl ein eigenes Waschbecken und einen Sessel. Handtücher und Bettwäsche sind gestellt, aber Ich würde empfehlen einen Schlafsack oder Fleece-Decke mitzubringen, da es Nachts recht kalt wird und die Decke sehr dünn ist. In der Küche gibts alle Utensilien (Mikrowelle, Toaster, Backofen). Minus: Das WLAN ist je nach Zimmer mal gut mal schlecht und man sollte sich überall in England an schlechten Empfang gewöhnen. Es gibt eine Waschanlage vor Ort, dafür muss man sich im Accomodation Office eine Waschkarte für 3,5 £ kaufen, die man dann aufladen kann. Einkaufen kann man am besten im Sainsbury's 15min zu Fuß vom Krankenhaus.
Zur Freizeit:
Eastbourne ist ein kleines Küstenstädtchen mit vielen Touristen, paar Studenten (einige Fakultäten der Brighton Uni sind in Eastbourne), tolle Cafés (the good Grub und the Frontier waren meine Favoriten), einem schönen Museum samt Kino und tollen Stränden. Das Klima ist für England echt warm und sonnig. Ich habe mir für die Zeit ein Fahrrad gemietet (40 Pfund) und war damit in 10 min am Strand. Nach der Arbeit bin ich durch eine Probeaktion in einem Fitnessstudio in der Nähe des Krankenhauses gewesen, hab viel am Strand gelegen (das Wasser ist kalt, aber an windstillen Tagen wird es in Eastbourne sehr warm und das Schwimmen ist angenehm).
Am Wochenende lassen sich von Eastbourne viele Ausflüge machen: ich bin mit der Southern Line ein mal nach Brighton und mehrmals nach London gefahren und war sonst noch bei den Seven Sisters und Beachy Head wandern. Bei den Zügen empfiehlt sich früh zu buchen und die Sommerangebote zu nutzen, damit sind die Tickets für hin- und zurück nur 5 £.
Ich fand das insgesamt eine richtig tolle Erfahrung, mal selbstständig in einem anderen Land zu leben und es erkunden zu können, während man einen richtigen Arbeitsalltag hat und die Orte nicht nur von der Touri Seite kennenlernen kann. Fragt die Mitarbeiter über England und deren Leben aus! Die Lebensweise, Gesundheits- und Bildungssysteme zu vergleichen war ziemlich spannend und auch nützlich für den eigenen Weg. Die Location von Eastbourne ist eine perfekte Balance von wunderschöner Natur und coolen Städten und die Organisation der Famu war auch verhältnismäßig simpel! Ich kanns nur empfehlen.
Bei Fragen schreibt mir gerne:))
Bewerbung
Ich habe mich 1 Jahr vorher bei Luisa Tomasetti beworben ( wie es in den anderen Berichten auch schon steht). Einfach per Mail (luisa.tomasetti@nhs.net) angefragt ob der Zeitraum passt und von ihr alle weiteren Infos bekommen. Sie brauchte im Anschluss ein Empfehlungsschreiben, Immatrikulationsbescheinigung und Lebenslauf. Für die Unterkunft musste ich mich separat bei Julia Williamson (julia.williamson3@nhs.net) melden. Diese organisieren sie da insgesamt kurzfristiger (3 Monate Vorlaufzeit) und das lief alles ab Mai. Die Kosten sind für Deutschland recht hoch (600€) aber für England ist das leider normal.
Das Gute daran, dass es kein großes fancy Uniklinikum ist, ist dass man keine Gebühren für die Famulatur zahlt, wie es sonst anderswo in der UK üblich ist.