Meine Zeit in Münsterlingen war sehr durchwachsen. Auf der einen Seite war es mega cool, weil man viele neue Leute kennengelernt hat und auch einmal einen Einblick in die Schweiz bekommen hat. Auf der anderen Seite war es einfach sehr schlecht, da die Station drunter und drüber war und man wirklich nur sehr wenig gelernt hat.
Die Station im Allgemeinen
Auf der Orthopädie gab es zu meiner Zeit fünf Assistenzärzte, zwei UHUs (Unterassistenten), sieben Oberärzte, einen Chefarzt in Münsterlingen und einen Klinikdirektor, der sowohl für Frauenfeld als auch für Münsterlingen zuständig war. Am Ende meiner vier Wochen hatten vier der Assistenzärzte und auch zwei Oberärzte gekündigt. Dementsprechend war auch die Stimmung im Team. Man muss jedoch auch sagen, dass die Assistenzärzte zu uns UHUs sehr korrekt waren und man eine gute Zeit mit ihnen verbringen konnte. Die Oberärzte hingegen waren eher kalt und haben einen meist einfach ignoriert.
Unsere Aufgaben bestanden größtenteils aus Stationsarbeit und im OP assistieren. Mit Stationsarbeit meine ich auch wirklich Arbeit und nicht nur einfach herumsitzen und nichts tun. Wir mussten täglich um 6:45 Uhr antanzen, um die OP-Seite des ersten Patienten zu markieren (nein, die Pflege darf das nicht machen, deswegen mussten wir das übernehmen). Danach ging es gleich weiter mit der Visite vorbereiten. Diese musste bis spätestens 7:30 Uhr fertig sein, da dann der Morgenrapport losging, bei dem von uns erwartet wurde, dass wir anwesend sind. Anschließend hatten wir noch einen stationsinternen Rapport und direkt danach ging die Visite los. Ein UHU ging dann meist mit und hat alles dokumentiert, während der andere meist in den OP ging, um zu assistieren. Nach der Visite ging es weiter mit dem Erstellen von Entlassungsberichten, Kurven eintragen, Rezepten austeilen, Physiotherapie anmelden usw.
Täglich um 9:00 Uhr gab es Znüni (stationinternes Frühstück), was auch automatisch von der Arbeitszeit abgezogen wird. Auch die Mittagspause ist nicht bezahlt und wird somit nicht als Arbeitszeit gerechnet. Das Essen ist nicht kostenlos, aber für Mitarbeiter vergünstigt. Am Nachmittag wurde es meist ruhiger. Um 15:30 Uhr ist dann der Nachmittagsrapport (der auch von uns vorbereitet werden musste). Je nachdem, wer gerade auf der Station war, durften wir meist um 16:00 Uhr gehen, manchmal mussten wir aber regulär bis 17:00 Uhr bleiben. Keine Sorge, ihr müsst euch dadurch zwar früher ausstempeln, aber bekommt deswegen nicht weniger Gehalt.
Im OP
Dadurch, dass man in mehr oder weniger mindestens einer OP pro Tag eingeteilt ist, sieht man schon relativ viel, aber meist wird es nicht mehr als Hakenhalten. Das Höchste der Gefühle ist, am Ende den Faden abschneiden zu dürfen. Vor allem bei Hüft- oder Schulter-TEPs darf man nicht mehr machen, als die zweite Assistenz zu sein, und auch zunähen darf man so gut wie nie. Eines muss man jedoch sagen: Die Aussicht aus dem OP direkt auf den Bodensee ist nur schwer zu toppen und wird man so nie wieder finden.
Pikket
In der Schweiz ist der Pikketdienst das gleiche wie der Bereitschaftsdienst. Als Orthopädie-UHU muss man dreimal in einem Monat Pikket unter der Woche machen. Das bedeutet, von 17:00 bis 7:30 Uhr rufbereit zu sein und bei Bedarf in den OP zu gehen und zu assistieren. Das ist eine wirklich coole Erfahrung, da man dadurch dem echten Arbeitsleben ein Stück näherkommt und auch mal andere OPs außer Orthopädie und Trauma zu sehen bekommt. Sollte das Interesse bestehen, kann man auch in die Notaufnahme schauen. Das ist aber mehr den Chirurgie-UHUs vorbehalten, die auch bewusst dort eingeteilt werden.
Leben
Wenn man eine Wohnung braucht, bekommt man auch eine, jedoch gegen Bezahlung (fängt bei rund 400 € an). Man hat dann aber auch alles, was man braucht: Kochgeschirr, Bettwäsche, Handtücher usw. Die Zimmer sind nicht die neuesten, aber trotzdem sehr groß, und vor allem für einen Monat ist das überhaupt kein Ding. Jeden Mittwoch gibt es Assistenzärzte-Grillen zusammen mit den UHUs, was eigentlich immer das Hauptereignis der Woche war, und jeder hat sich darauf gefreut. Auch die Gegend rund um den Bodensee ist einfach sehr schön, vor allem im Sommer, und es wird einem sicher nicht langweilig. Wenn es die Möglichkeit gibt, ist es sicher nicht verkehrt, ein Fahrrad mitzunehmen, aber falls nicht, ist es auch kein Problem.
Fazit
Würde ich nochmal die Famulatur machen? Wahrscheinlich ja, aus dem einfachen Grund, weil man auch solche katastrophalen Stationen erleben muss, um zu wissen, was man definitiv nicht haben will. Trotzdem empfehle ich sie niemandem weiter, und man muss es sich sehr gut überlegen, vor allem, wenn man mit der Erwartung ankommt, viel zu lernen und am Ende ein besserer "Orthopäde" zu sein.
P.S.: Es gilt auch zu erwähnen, dass aufgrund der vielen Kündigungen das Team nächsten Sommer wahrscheinlich komplett neu sein wird und vielleicht um einiges besser als es aktuell ist.