Was soll ich sagen - viel mehr, als dass die Famu im höchstgelegenen Dorf Europas ein Traum war, gibt es nicht zu sagen ;-)
Nein, Spaß beiseite. Der Monat hier war echt wirklich toll!
Ich war für einen Monat auf der Orthopädie-Unfallchirurgie (deren Patienten im Winter gefühlt 90% der Spital-Patienten ausmacht) des Spitals Davos und habe mich von Beginn an sehr willkommen und aufgenommen gefühlt. Obwohl ich nur so kurz da war und nur als Famulantin, bekam ich an Tag 1 einen Schlüssel, ein Telefon, eine Fleecejacke und konnte mir noch einen PC-Zugang machen lassen. Dadurch war ich direkt eingebunden und konnte selbstständig arbeiten - was man mir zutraute und auch von mir verlangte. So wurde ich in der ersten Woche von den Assistenzärzten und PJ-lern (in der Schweiz liebevoll UHU genannt) in alles eingearbeitet und mir wurde viel gezeigt. Anschließend konnte ich wie die PJler richtig im Alltag mithelfen.
Aber wie sieht denn ein schweizer Klinikalltag aus?
Der Tag begann meistens um 7. Da teilten die UHUs und ich uns den Stationsärzten (Assistenzärzte) zu und gingen die Patienten visitieren. Unsere Aufgabe war es, entweder einfach mitzulaufen, eigene Patienten zu visitieren oder bei Commotio-Patienten einen Neurostatus zu erheben. Um 7:30 war dann Rapport (die Frühbesprechung) mit den Kaderärzten (Ober- und Chefärzte). Anschließend fand täglich das gemeinsame "Kaffetrinken/Frühstücken" in der Cafeteria statt. Das war meistens eine gesellige, entspannte Runde am Morgen, bevor alle dann gegen 8 in den OP oder auf Station verschwunden sind.
Für die UHUs und mich stand dann - abhängig vom OP-Plan - Büroarbeit o.ä. auf dem Programm. So sollten wir zum Beispiel Austrittspapiere und -Berichte (Austritt = Entlassung) vorbereiten und sie den Patienten erklären, mit den Assistenzärzten auf weitere Visite und zu Verbandswechseln gehen o.ä. Ich hatte dabei ziemlich die gleiche Verantwortung und Aufgaben wie die UHUs. Doch anders als sie war ich seltener fest im OP eingeteilt und auch immer auf Station, nie auf dem Notfall eingeplant - was aber einen flexiblen Ortswechsel ermöglichte. So konnte ich bei Interesse jederzeit im OP zuschauen oder auch auf den Notfall gehen und zugucken/ mithelfen. Bei „ungeplantem“ Besuch im OP war ich meist unsteril und habe aus der Ferne zugeschaut. An anderen Tagen wurde mir aber auch angeboten, als (2.) Assistenz mit am Tisch zu stehen.
Allgemein herrschte auch im OP - bis auf den Operateur verzweifelnde Situationen, in denen teilweise Wut und Anstrengung auf andere projiziert wurde - ein netter Umgang. Von der Putzfrau über die OTA bis hin zum Operateur hat man sich gegrüßt, unterhalten und bei Gelegenheit wurde einem auch was erklärt. Insgesamt hatte ich das Gefühl, dass man einem was beibringen wollte.
Je nach Tag gab es mehr oder weniger Operationen. Manchmal waren alle vor dem Mittagessen durch, manchmal wurde aber auch noch (bis) spät Nachmittags jemand operiert.
Doch ob im OP oder Station - wir hatten fast immer die Möglichkeit, Mittagessen zu gehen. Wenn man im OP war oftmals etwas verspätet, ansonsten stand die Mittagspause gegen 12 auf dem Plan. Dabei wurde immer versucht, zusammen essen zu gehen. Etwas holen konnte man sich entweder in der Mensa (11er-Karte Essen kostete 95CHF und bestand aus einem vielfältigen Essen (Fleisch oder Veggie mit Salat) oder am Kiosk (Brötchen) oder man brachte sich etwas mit, das man auch aufwärmen konnte. Die Mittagspause war mal kürzer, mal länger, doch immer ein sehr geselliges und schönes Zusammensitzen.
Nach dem Mittag standen dann meist weitere OPs, Aufnahme-Untersuchungen, weitere Dokumentationsarbeit o.ä. an. So füllte sich die zeit bis zum Nachmittagsrapport meistens von ganz alleine. Der Rapport war dann (bis auf Freitags, da eine h früher) immer um 16:20. Anschließend fand (abgesehen vom Journal-Club-Mittwoch) der Röntgen-Rapport statt. In diesem wurden die Bilder seit dem letzten Rapport mit der Radiologie aus Chur - zu Lehrzwecken - besprochen.
Nach dem Rapport war dann noch Kaderarzt-Visite, der die Assistenzärzte und wir folgten. Anschließend mussten wir meist noch Liegengebliebenes oder Dringliches für den nächsten Tag organisieren. So kam es, dass ich meistens zwischen 17:30 und 18:00 Uhr die Klinik verlassen könnte.
Die Arbeitszeit mag einen zunächst einmal erschlagen. Ich muss aber sagen, dass ich es als absolut machbar empfand. Entweder hatte man viel zu tun und die Zeit verflog oder man konnte sich mit seinen Kollegen gut unterhalten. Meistens jedoch ersteres. Ansonsten haben wir an ganz ruhigen Tagen mit viel Personal auch mal gefragt, ob wir Mittags kurz gehen/ allgemein früher heimgehen können. Auch das war ab und an möglich.
Ansonsten ist die lange Arbeitszeit nicht so gravierend, da man - wenn man wie die meisten inklusive mir - im Personalwohnheim wohnt. Das ist so nah und man darf sich dort schon seine Klinikkleidung anziehen, dass der Arbeitsweg morgens nur 5 Minuten beträgt. Dadurch hat man nach und vor der Arbeits-Zeit wirklich Frei-Zeit.
…und die lohnt sich in Davos auch allemal! Wie die meisten war auch ich primär wegen dieser hier. Als Outdoor- und Wintersport-Fan kommt man hier auch wirklich auf seine Kosten! Nicht nur an den Wochenenden war es möglich, Skifahren (250 Pisten-Km, darunter eine Talabfahrt bis fast zur Klinik) oder Wandern zu gehen o.ä., sondern auch unter der Woche. Zwar hat man lange gearbeitet, aber eben auch keinen langen Weg in die Natur. So ist die Klinik circa 5 Geh-Minuten von der nächsten Loipe entfernt und das Loipennetz durch Davos sehr groß. Dienstags kann man hier abends auf mehreren, sonst auf der Nachtloipe seine Runden drehen. Wer lieber Ski oder Schlitten fährt, kann das auch zweimal die Woche abends tun. Ansonsten bleiben wie gesagt die Wochenenden. Und dank des außerordentlich guten Wetters in Davos (in meinem Monat hat vielleicht am 5 Tagen nicht die Sonne gescheint), kann man die auch richtig genießen.
Wie die meisten Wintersport-Orte hat auch das Dörfchen Davos eine große Après-Ski-Szene. Wer also Lust hat, Feiern zu gehen, kann auch das in guter Gesellschaft tun.
…à propos Gesellschaft. Wer Angst hat, alleine nach Davos zu gehen und keinen Anschluss zu finden, den kann ich beruhigen. Von den Assistenzärzten und UHUs habe ich mich nämlich von Tag eins an willkommen und aufgenommen gefühlt! Da nicht nur die UHUs meist nur kurzzeitig in Davos sind, sondern auch die Assistenzärzte (in der Schweiz wechselt man wohl alle 1-2 Jahre seine Ausbildungsstelle), sucht hier jeder nach Anschluss und nimmt neue Leute schnell auf. Zum Gelingen tragen nicht nur die gemeinsamen Essenspausen, sondern auch die TGIT (thank god it’s Thursday) bei. Es wird versucht, sich jeden Donnerstag mit allen, die Zeit und Lust haben, zu treffen und gemeinsam etwas schönes zu unternehmen. So waren wir mal zusammen was Trinken, haben einen Spieleabend gemacht oder typisch für die Schweiz - Raclette. Dadurch entstand eine schöne Team-Dynamik und man lernte z.B. auch die aus der Innere Medizin noch besser kennen.
Wie ihr vielleicht bis hierhin gemerkt habt: ich war begeistert und würde auf jeden Fall wiederkommen. Nicht nur das Team ist ein Traum., sondern auch die Umgebung.
Und für alle die, die unfallchirurgisch interessiert sind, finde ich Davos auch eine spannende Anlaufstelle! Es ist zwar kein großes Haus, die Polytraumen werden auch nach Chur geflogen. Doch mindestens die Basics bekommt man zu Gesicht - und lernt sie durch die selbstständige Arbeitsweise auch.
Was ich zudem eindrucksvoll fand, ist der Patienten-„Durchsatz“:
Die Patienten werden hier sehr schnell behandelt. So kommt z.B. jemand morgens mit VKB-Ruptur auf den Notfall, bekommt direkt ein Röntgen und MRT, liegt am Tag drauf auf dem Tisch und kann das Krankenhaus nach 2-3 Tagen wieder verlassen. Man merkt wirklich, dass die meisten Patienten „Gesunde“ sind, die sich „nur“ verletzt haben und eben keine „Kranken“. Durch die ganzen Sportverletzungen hat Davos also ein sehr ausgewähltes Patienten- und Krankheits-Spektrum, doch das empfand ich als sehr angenehm.
Man muss allerdings bei der Bewerbung beachten, für wann man sich bewirbt. Im Winter (bis April, jedoch schon ab März abnehmend) kann man mit den ganzen Ski-Verletzten rechnen. Danach wird es ruhiger, bevor im Sommer Wanderer und Mountainbiker das Krankenhaus wieder füllen. Mir wurde gesagt, dass der Winter natürlich viel voller sei als der Sommer. Da im Winter aber auch mehr Personal zur Verfügung steht, hat man entsprechend im Sommer wahrscheinlich auch gut zu tun.
Ich würde die Famu also jederzeit genau so wieder machen: Spannende Arbeit, tolles Team und gute Freizeit-Möglichkeiten!
Bewerbung
1,5 Jahre im Voraus. Eine Famu sollte aber auch spontaner möglich sein.