Famulatur in der Herzchirurgie (das war nicht im Rahmen eines der kardiovaskulären Praktika, die dort angeboten werden, sondern eine "freie" Famulatur). Bin absolut begeistert und empfehle jedem chirurgisch Interessierten die Herzchirurgie des Rhönklinikums in Bad Neustadt/Saale. Das war meine erste Famulatur in einer deutschen Klinik und ich hatte nicht viel Vorahnung (9. Semester) vor allem keine praktische chirurgische Erfahrung. Ich wollte viel Chirurgie sehen und nähen lernen und dafür war ich goldrichtig.
Die ersten Tage war ich zum Einstieg auf der IMC (Intermediate Care Station), wo ich ab dem zweiten Tag frühs (nach einmaliger Einweisung) mit dem Sonogerät über die Station bin und die Patienten auf Pleuraerguss geschallt habe. Wenn Pleuraerguss vorhanden, dann habe ich (anfangs mit Arzt, später allein) den punktiert. Die Einstellung der Ärzte: Einen sehen, einen assistiert bekommen, selber machen. War super. Ansonsten auf IMC mit dem Arzt Lehrvisiten gemacht und sehr viel erklärt bekommen. Ab dem fünften Tag war ich tagsüber im OP, nachmittags bin ich dann oft noch auf Intensiv. Im OP durfte ich so viel machen/mitoperieren. Beispiel Bypass-OP: Ich habe mit dem Assistenzarzt den Thorax aufgemacht, dann kam der Oberarzt, der Assistenzarzt ist ans Bein und hat die Vena saphena magna herausoperiert, während der Oberarzt und ich das Herz weiter vorbereitet haben und die Herz-Thorax-Maschine an rechten Vorhof und Aorta angeschlossen haben (Ich habe sogar auch mal selber das Herz kanüliert). Dann ist der Assistenzarzt zum Oberarzt ans Herz und beide haben die Bypässe angenäht, während ich genug Zeit hatte das Bein von oben bis unten wieder zuzunähen. Dabei hat mir anfangs eine OTA (operativ technische Assistentin) geholfen und mir die verschiedenen Nahttechniken gezeigt, bis ich die alle selber konnte. Meist habe ich intrakutan genäht. Wenn der Bypass angenäht war und ich das Bein wieder zugenäht hatte, ist der Oberarzt wieder weg und der Assistent und ich haben den Thorax wieder zugemacht. Diesen Ablauf habe ich dann bis zu dreimal täglich hintereinander gemacht und konnte danach wirklich richtig gut nähen (mittlerweile habe ich mein Chirurgie-PJ an einer anderen Klinik schon rum und durfte dort viel weniger nähen. Neustadt war also der Ersatz für mein Chirurgie-Tertial;-).
Ich wollte viel nähen und daher war ich im Glück. Ich konnte aber jederzeit auch zu anderen OPs gehen, z.B. Klappenersatz, Aortenoperationen, minimal invasive Herzchirurgie. Ich bin auch manchmal zu den Anästhesisten und habe mir von denen alles erklären lassen (Kardioanästhesie ist auch interessant, weil jeder Patient während einer Klappen-OP einen transösophagealen Ultraschall bekommt und der Anästhesist den macht/überwacht). Ich habe auch mit den Anästhesisten vor der OP z.B. Blasenkatheter gelegt. Von den Kardiotechnikern habe ich auch mal die Herz-Lungen-Maschine erklärt bekommen. Hin und wieder bin ich auch mal zu anderen Operationen gegangen, wie zu hand- oder schulterchirurgischen OPs nebendran. Alles kein Problem, ich durfte mich frei bewegen und dort mitmachen, wo es mir gefiel. Die Ärzte waren alle sehr locker und freundlich, Chef-, Ober- und Assistenzärzte.
Nachmittags auf Intensiv habe ich dann noch sehr viel Kardiologie und Intensivmedizin gelernt. Dort waren immer mind. ein Oberarzt und zwei Assistenzärzte, die mir unheimlich viel erklärt haben, EKG mit mir durchgegangen sind und Röntgen-Thoraces mit mir angeschaut haben.
Insgesamt war ich komplett begeistert von dem, was ich alles gesehen, gelernt und selber gemacht habe, vor allem von dem Mitoperieren am offenen Herzen und dem ganzen Nähen. Ich wünschte mir, ich hätte mein Chirurgie-Tertial im PJ in Neustadt machen können.
Ich muss noch dazu sagen: Ich war, bevor ich nach Neustadt gekommen bin, in Würzburg an der Uni in der Herz-Thoraxchirurgie und bin dort nach einer Woche wieder weg, weil es mir dort nicht gefallen hatte. Ich habe dort (fast) nichts selber machen dürfen und die Assistenzärzte in Würzburg haben sich darum schlagen müssen, dass sie die Beine zunähen dürfen, also um die Arbeit, die ich als Famulant in Neustadt machen durfte. Ich habe in Wü abgebrochen und kurzerhand in Neustadt angerufen und die nächste Woche durfte ich in Neustadt anfangen. Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich aus Wü weg bin und die Famulatur stattdessen in Bad Neustadt gemacht habe.
Absolut nachahmungswürdig! Beste meiner Famulaturen!
Außerdem habe ich 300 Euro für den Monat bekommen und ein Zimmer habe ich auch noch gestellt bekommen.