Die Bewerbung lief über das International Student Office der University of the West Indies in Mona. (Mona ist der Stadtteil in Kingston, in dem die Uni liegt) Normalerweise sollte man sich mindestens ein halbes Jahr vorher für ein Medical Elective bewerben. Bei mir hat es aber auch kurzfristiger geklappt. Man sollte dabei allerdings bedenken, dass einige Dokumente für die Uni und für die Einreiseerlaubnis per Post verschickt werden müssen. Eine Zustellungsdauer von 4 Wochen ist dabei durchaus möglich. Je früher man sich also drum kümmert, desto stressfreier ist die Bewerbung. Was das Visum angeht sollte man sich nochmal direkt mit dem Student Office absprechen. Je nach dem welches Programm man macht, wird ein Visum verlangt.
Leben und Wohnen auf dem Campus:
Wohnen kann man auf dem Mona Campus in Studentenwohnheimen im Einzel- oder Doppelzimmer. Die Preise dafür waren mit 10 US$ pro Nacht mit Küche und Bad im Flur und WLAN relativ günstig. Durch das Wohnen auf dem Campus bzw. in den Wohnheimen kommt man schnell in Kontakt mit jamaikanischen Studenten. Das Interesse an Austauschstudenten besonders aus Europa ist relativ groß, allerdings sollte man sich ruhig trauen den ersten Schritt zu machen und auf die Leute zuzugehen.
Famulatur im University Hospital oft he West Indies:
Meine Famulatur habe ich zusammen mit einem Freund für 4 Wochen in der Anästhesie gemacht. Zusammen mit 15 anderen Studenten durchlief ich die Medical Elective for Anaesthesiology and Intensive Care. Täglich wurden wir von morgens 8 bis ca. 16 Uhr zu zweit oder zu dritt für einen OP eingeteilt und konnten den Anästhesisten über die Schulter schauen. Man kommt so zu allen verschiedenen Fachrichtungen der Chirurgie und arbeitet immer mit verschiedenen Anästhesisten zusammen. Insgesamt bekommt man so einen breiten Überblick über die unterschiedlichen Disziplinen im OP. Nach einiger Zeit und etwas Übung durfte man die meisten Sachen wie Intubation oder Narkoseeinleitung unter Aufsicht auch selber machen. Auch bei Eingriffen wie Plexusblockaden oder Spinalanästhesien durfte man Hand anlegen. Da es ein Lehrkrankenhaus ist, ist es nicht ungewöhnlich, dass manchmal 3 Anästhesisten pro OP eingeteilt sind., Ein Resident, ein 3rd Year und ein First Year Doctor, die Stimmung im OP war die meiste Zeit über sehr angenehm und die Ärzte hatten großes Interesse den Studenten etwas beizubringen. Man bekam also viele Möglichkeiten zur hands-on-experience.
Allerdings sollte man sich bei einem Fach wie der Anästhesie im klaren sein, dass es abhängig von der OP eine Menge Zeit zu überbrücken gibt, in der sehr wenig passiert. Eingeteilt in der Anästhesie ist man nicht steril und kann auch nicht so einfach mal auf die andere Seite des Tuches wechseln und dort mitmachen. Zuschauen kann man aber natürlich immer.
Alle zwei Tage hatten wir zwischendurch auch Unterrichtsstunden, in denen wir viele Themen der Anästhesie im Klassenraum besprochen haben und uns so die nötige Theorie angeeignet haben.
Im Großen und Ganzen unterscheidet sich die Anästhesie im University Hospital nicht sehr stark von der in Deutschland. Lediglich die Verfügbarkeit von Medikamenten und Utensilien wie Tubus oder Infusionen ist manchmal limitiert oder sie sind gar nicht vorhanden. Dann muss auf ältere Medikamente oder einen etwas kleineren oder größeren Tubus zurückgegriffen werden. Ich fand gerade diese Schwierigkeit und wie die Ärzte dort damit umgehen, wenn sie gezwungen sind zu improvisieren sehr interessant.
Weitere 2 Wochen meiner Famulatur habe ich im Kingston Public Hospital in der Accident and Emergency Medicine gemacht, hier sah es schon ganz anders aus. Das KPH ist ein rein staatliches Krankenhaus an dem die Folgen der Gesundheitspolitik in dramatischer Weise zu sehen sind. Oft fehlt es an einfachen Dingen wie Blutabnahmeröhrchen, Tupfern, Kathetern etc.
Nichts desto Trotz empfand ich die zwei Wochen im KPH als am interessantesten. Dort sieht man das echte Jamaika und die wirkliche Gesundheitsversorgung und die Probleme mit denen die Ärzte und die Patienten zu kämpfen haben.
In die Notaufnahme kamen alle Arten von Patienten: Von unklarem Fieber, Harnstau, Sichelzellanämiekrisen und Asthmaanfällen bis hin zu Auto- und Motorradunfällen, Verbrennungen und Schuss und Stichverletzungen.
Auch hier kann man eine Menge Erfahrung sammeln und darf fast überall selbst Hand anlegen. Besonders Spaß hat mir jeden Morgen von 10- 13 Uhr die Wundversorgung gemacht, in der man auf jeden fall das Nähen zur Perfektion üben kann, wenn man möchte.
Trotz des eher stressigen Arbeitsalltags in der Notaufnahme waren auch hier alle Ärzte ausnahmslos freundlich und interessiert mir etwas beizubringen.
Freizeit und die Insel:
Jamaika ist nicht sehr groß, so dass man es gut schafft an Wochenenden die wichtigsten Ziele der Insel zu bereisen. Ich hatte 6 Wochenenden zur Verfügung und habe diese gut nutzen können Jamaika zu erkunden. Mit Bussen ist es von Kingston aus überhaupt kein Problem überall günstig hinzukommen. Man sollte sich aber gleich von dem Gedanken verabschieden, dass Busse pünktlich und bequem sind. Man sollte ebenfalls nicht ein allzu ängstlicher Autofahrer sein, sonst bekommt man noch vor der Ankunft einen Herzinfarkt.
Wenn man dann heile angekommen ist hat Jamaika einiges zu bieten: Schöne Strände, Berge mit Regenwald, Wasserfälle und eine blühende Reggae-Kultur.
Obwohl die meisten Menschen in Jamaika sehr nett und aufgeschlossen gegenüber Touristen sind, sollte man stets wachsam unterwegs sein. Das man als Tourist das ein oder andere Mal übers Ohr gehauen wird gehört ja oft mit dazu, uns ist es allerdings auch ein paar mal passiert, dass wir bedroht wurden und man uns ausrauben wollte, wirklich ausgeraubt oder angegriffen hat uns letztendlich aber niemand. Man sollte aber auf solche Situationen gefasst sein und sich überlegen wie man sich dann verhält. Solche Vorfälle gehören aber auch nicht zum Alltag eines Jamaika Besuchs, sondern wohl auch sehr davon abhängig wo man sich herumtreibt. Wenn man mit offenen Augen und nicht zu naiv durch die Gegend läuft, lassen sich die meisten Gefahren vermeiden. Uns ist nach 6 Wochen auch nichts ernsthaftes passiert, sodass ich es jedem weiterempfehlen kann dort hinzugehen.
Wer also gerne mal eine Medizin kennenlernen möchte, die mit wenig Geld und einfacheren Mitteln zurechtkommen muss und gleichzeitig viel selbst machen möchte, dem kann ich eine Famulatur in Kingston nur wärmstens empfehlen. Ein wunderschönes Land mit einer interessanten und fröhlichen Kultur gibt es obendrauf!