Ich kann eine Famulatur bei der derzeitigen Besetzung nicht empfehlen.
Man wird vom ersten Tag an ins kalte Wasser geschmissen. Nachdem ich 3 mal zugesehen hatte, sollte ich einen Patienten komplett selbst verstaten, ohne Aufsicht (es war meine 1. Famulatur nach dem 5. Semester!!!) oder weitere Erklärung, auf was ich achten soll.
Hauptsächlich ist man im OP zum Haken halten eingeteilt, d.h. man ist bei folgenden Sachen dabei: Schilddrüse, Hernie, Sigma- oder Rektumresektion. Dabei wird einerseits erwartet, dass man interessiert ist und Fragen stellt, andererseits soll man möglichst nicht auffallen, sich "unsichtbar machen", nicht im Weg stehen. In den 4 Wochen durfte ich auf Nachfrage einen einzigen Stich nähen.
Nach dem OP geht man auf Station und sucht sich Arbeit, d.h. man telefoniert alle Stationen auf denen chirurgische Patienten liegen durch, ob man jmd. aufnehmen soll. Die Ärzte nehmen einen selten mit zu Verbandswechsel, man muss Glück haben und von selbst mitbekommen, dass so etwas ansteht.
An Lehre sind hauptsächlich die ganz jungen Assistenzärzte interessiert, aber die haben selten Zeit und sind selbst gestresst. Das meiste habe ich von den PJlern gelernt, die dürfen nämlich auch nicht viel mehr als Famulanten.
Der Umgangston ist oft sehr forsch, ein Danke hört man selten (das Aufnahmeuntersuchungen von Studenten gemacht werden wird nicht als Hilfe sondern als Selbstverständlichkeit angesehen), ein Feedback über die eigene Arbeit gibt´s nur, wenn man was falsch gemacht hat.
Zur Arbeitszeit: Morgenvisite um 7:00 Uhr, Nachmittagsbesprechung von 15:30 Uhr bis mind. 16:00 Uhr. Wenn man Glück hat, darf man dann gehen, aber eig wird erwartet, dass man danach noch zur Nachmittagsvisite bis ca. 16:40 Uhr geht, weil man da "so viel lernen kann" (die Realität ist, dass man wie morgens in der letzten Reihe steht und maximal mit dem Desinfektionsmittel die Hände der Ärzte desinfizieren soll). Außerdem ist es einige Male vorgekommen, dass eine Not-Laparotomie für den Dienst ansteht und dann erwartet wird, dass einer der Studenten zum Haken halten bleibt. "Denn im Dienst kommen die interessanten Sachen" und wenn man dann bis abends am Tisch steht, kriegt man auch kein Danke oder "Überstunden" angerechnet. Die Begründung für alles wobei die Studenten in den sauren Apfel beißen müssen ist immer "das ist Chirurgie". Allerdings muss ich noch dazu sagen: wenn man nicht Grad im OP zum haken halten eingetragen ist, fällt es auch nicht auf, wenn man nicht da ist (man ist halt nur eine Nummer). Deshalb kann man auch mal Mittagspause machen (extrem selten mit den Ärzten zusammen, die gehen entweder nicht oder sagen nicht bescheid).