Famulatur Herz-/Gefäßchirurgie in Klinikum Wilhelmshaven (9/2016 bis 9/2016)

Krankenhaus
Klinikum Wilhelmshaven
Stadt
Wilhelmshaven
Station(en)
"THG"
Fachrichtung
Herz-/Gefäßchirurgie
Zeitraum
9/2016 bis 9/2016
Einsatzbereiche
Notaufnahme, Station, OP
Heimatuni
Goettingen
Kommentar
Eins vorweg: es war nicht alles schlecht, und zum Lernen fürs Leben war es eine hervorragende Famulatur. Für den Rest eher nicht.

Das Problem begann schon bei der Bewerbung: ich wollte die Versorgung chronischer Wunden erlernen - und die Wundversorgung war an die Klinik für Thorax- Herz- und Gefäßchirurgie angebunden. Das klang toll, fand ich, und bewarb mich beim Chefarzt.

In WHV angekommen, stellte ich als erstes fest, dass es eine reine pAVK-Gefäßchirurgie ist. Herzchirurgie findet dort nicht statt und Thoraxchirurgie beschränkt sich auf das Legen von Thoraxdrainagen.

Bevor ich zu meiner Philippika anhebe, möchte ich die Wundschwester lobend hervorheben: Die hatte wirklich Freude daran, ihr Wissen über die Versorgung chronischer Wunden an mich weiter zu geben. Von ihr habe ich viel gelernt und hatte eine gute Zeit mit ihr. Aber auch sie resignierte am Irrsinn, der das Klinikum Wilhelmshaven regiert.

Beginnen wir mit dem Ärzteteam: es gab einen Chef, einen leitenden Oberarzt, einen meistens schlecht gelaunten Oberarzt und eine Oberärztin. Von den 4 Assistenzärzten waren 2 die Söhne des leitenden Oberarztes. Anders gesagt: die Gruppendynamik war pikant.

Dienstbeginn war nach Gefühl, jeder kam, wenn es ihm passte. Ich fand 8 Uhr irgendwie angemessen, aber wäre ich um 10 gekommen, hätte es vermutlich niemand gemerkt. Dafür war auch Gehen nach Gefühl möglich. Irgenwann war es mir nicht mehr peinlich, um 14 Uhr zu gehen. Aufgaben hatte ich nicht. Ich habe erst nach einer Woche erfahren, dass es überhaupt Blutabnahmen gibt. Als ich beim ersten Mal danach gefragt habe, wusste die Pflege von nichts, anscheinend ist dort niemand für das Laborstellen zuständig. Fragen sind angeblich gerne gesehen, aber je nach dem, wen man fragt, muss man mit einer sehr lustlosen Antwort rechnen - deswegen hatte ich mir bald das Fragen abgewöhnt.

Höchste Obacht ist geboten, wenn man mit dem leitenden OA und seinem älteren Sohn im OP steht. Die beiden sind um blöde Sprüche nicht verlegen und mögen Machtspiele. Ich möchte nicht im Detail wiedergeben, was ich mir da anhören durfte, aber es läuft darauf hinaus, dass ich völlig ungeeignet für den Arztberuf bin, da ich ein adipöses Bein nicht 20 Minuten zitterfrei hochhalten kann. Interessanter fand ich die Episode, als der LOA einer jungen Patientin die Mitteilung überbringt, dass eine Unterschenkelamputation unumgänglich ist. Mit seiner ihm eigenen Einfühlsamkeit betritt er das Zimmer, schüttelt den Kopf und sagt: "Kann man nix machen, muss ab!" Wow!
Zum Glück war dieses Vater-Sohn-Duo in der zweiten Woche nicht da, was sich positiv auf mein Befinden ausgewirkt hat. Die anderen 3 Assistenzärzte waren übrigens persönlich ganz in Ordnung.

Wobei das glaube ich in der Pflege anders gesehen wurde: die war chronisch gestresst und litt darunter, dass sich die Ärzte selten an die Visite-Zeiten hielten. Nach meiner Erinnerung vor allem ein Problem mit dem älteren Filius des LOA. Einmal brach die Stationshilfe fast in Tränen aus, als ich mit gefüllten Blutröhrchen zu ihr kam. Ich könne die ja wohl ruhig mal selbst wegbringen, es sei ja schlimm genug, dass die Ärzte das für unter ihrer Würde erachten, aber dass sie jetzt auch noch die Studenten dazu erziehen, sei die eigentliche Tragödie... dabei wollte ich sie nur fragen, wie der Laboraufzug funktioniert.

In eine ähnliche Richtung geht das gesamte Betriebsklima: da liegen die Nerven blank, weil die neue Geschäftsführung stellen streichen will. Ein besonderes Schmankerl war, dass zwei chirurgische Chefärzte in meiner ersten Woche in den Frühruhestand gingen (Weil die OP-Zahlen nicht stimmen). Nach Eintreffen der neuen Chefärztin, die beide Kliniken führt, ging vor allem in der Viszeralchirurgie das große Kratzen und Buckeln unter den Oberärzten los. Und selbst unseren schlechtgelaunten Oberarzt habe ich nie so nett wie in den Chefvisiten gesehen.

Besagter Druck der Geschäftsführung führte zu allen bekannten unangenehmen Nebenwirkungen: unsinnige stationäre Aufnahmen zum Hochtreiben der Fallzahlen oder turfen von "teuren" Patienten. Insgesamt war ich ziemlich schockiert von den Zuständen da, das habe ich bisher so nicht erlebt.

Die neue Chefärztin wirkt allerdings sehr kompetent auf mich, vielleicht erhält die Chirurgie in Wilhelmshaven dann endlich eine gute Führung. Aber erstmal kann ich nur sagen: Finger weg von Wilhelmshaven, oder noch besser, hin, wenn man die Auswirkungen der ökonomisierten Medizin mal live und in Farbe miterleben möchte.
Bewerbung
einen Monat vorher per Mail an den Chef
Unterricht
Kein Unterricht
Inhalte
Bildgebung
Tätigkeiten
Blut abnehmen
Braunülen legen
Chirurgische Wundversorgung
Patienten untersuchen
Röntgenbesprechung
Notaufnahme
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
Vor 15:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Kleidung gestellt
Mittagessen regelmässig möglich
Essen frei / billiger

Noten

Stimmung Station
4
Kontakt zur Pflege
3
Ansehen
3
Stimmung Klinik
5
Unterricht
6
Betreuung
4
Freizeit
1
Lehre auf Station
4
Insgesamt
4

Durchschnitt 4