Die Gynäkologie und Geburtshilfe gehörte schon vor Studienbeginn zu den Fächern, die mich am meisten interessierten. Nachdem ich im 9. Semester endlich die entsprechende Vorlesung gehört hatte, wollte ich meine letzte Famulatur dazu nutzen, einige praktische Einblicke in das Fach zu erhalten. Dabei war mir wichtig, an ein kleineres, familiäres Haus zu gehen, an dem ich viel sehen und tun konnte und schnell ins Team integriert werden würde. Aufgrund der vielen positiven Berichte aus Emden entschied ich mich für einen halben Monat in Ostfriesland – was sich als eine sehr glückliche Wahl herausstellen sollte!
Schon an meinem ersten Tag fielen mir die ausgesprochene Herzlichkeit und Wertschätzung von allen Seiten auf. Diese willkommen heißende Atmosphäre, der sehr hilfreiche Studentenleitfaden und das überschaubare, nette Team der Gynäkologie machten mir meinen Einstieg sehr leicht. Wie bereits in anderen Berichten beschrieben, kann man sich als Famulant jeden Tag nach der Frühbesprechung für den OP oder die Station bzw. den Kreißsaal entscheiden.
Ich hatte mich bis zu dieser Famulatur weitgehend vor dem OP gedrückt. Für mich war das sterile Dasein am Tisch also quasi Neuland. Das war aber überhaupt kein Problem. Das OP-Team war immer sehr hilfsbereit, beantwortete mir all meine Fragen und verriet mir hilfreiche Tipps und Tricks. Die Eingriffe waren meist nicht besonders lang und die Stimmung war eigentlich immer gut. Ehe ich mich versah, stand ich selbst mit am Tisch und assistierte z.B. bei Sectiones, Laparoskopien und Hysterektomien und durfte auch mal ein paar Stiche nähen. Ich war von mir selbst überrascht, wie oft und gern ich im OP war.
Auf der Station nahm ich Blut ab, legte Zugänge, machte die Visite mit und sah mir viele Untersuchungen an, die ich schon bald teilweise oder unter Aufsicht gänzlich selbst durchführen durfte. Dazu gehörten z.B. der abdominale und der vaginale Ultraschall oder die vaginale Untersuchung. Auch im Briefeschreiben übte ich mich. Ungewohnt, aber sehr schön war für mich die Dankbarkeit der Ärzte und Schwestern für nahezu jede Aufgabe, die ich ihnen abnahm.
Im Kreißsaal war ich ganz besonders gern. Leider gab es im Zeitraum meiner Famulatur nicht allzu viele Spontangeburten (was aber nicht die Regel ist, wie mir versichert wurde). Umso beeindruckender war es, bei einer Entbindung im Nachtdienst dabei zu sein, wo meiner Meinung nach ohnehin eine ganz andere Atmosphäre herrscht – weniger geschäftig als am Tage und dadurch irgendwie noch kollegialer. Daher (und eben weil Kinder gerne nachts kommen) würde ich die Teilnahme an mindestens einem Nachtdienst dringend empfehlen!
Anders als bei meinen vorherigen Famulaturen beschäftigte ich mich in diesen zwei Wochen nicht ausschließlich mit einem Fach. Nahezu täglich finden Studentenseminare für Famulanten und PJler statt – und zwar in allen Fachrichtungen, die das Hans-Susemihl-Krankenhaus zu bieten hat. Wie wohl überall kam es stark auf die Vortragsfähigkeiten des Kollegen (oder auch auf die Schwere des vorangegangenen Mittagessens) an, wie viel ich aus dem Seminar mitnahm. In der Gesamtheit waren die Seminare aber gut und es war erfrischend, für eine Stunde am Tag auch mal über den fachlichen Tellerrand hinauszuschauen.
Apropos Mittagessen: das und ein Frühstück gibt es für Famulanten und PJler in der Klinik-Cafeteria jeden Tag umsonst. Selbiges gilt für eine Unterkunft im Personalwohnheim, wenn man sich rechtzeitig darum kümmert. Das Wohnheim bietet zwar keinen Luxus, aber mit einem Bett, Schreibtisch, Schrank, Internet, einer Gemeinschaftsdusche, Waschmaschine und Trockner, Gemeinschaftsküche und einem kleinen Gemeinschaftsraum doch alles, was man braucht. Wer gern kocht, dem empfehle ich, ein paar eigene Kochutensilien mitzunehmen (vor allem scharfe Messer). Wer Wert auf Ruhe legt, dem sei außerdem eine Investition in Oropax nahegelegt.
Mit den vielen anderen Famulanten und PJlern verging auch die Freizeit wie im Flug. Wir verbrachten viele heitere Abende im Gemeinschaftsraum oder unternahmen etwas zusammen. Zu entdecken gibt es in der Gegend genug, z.B. das hippe Groningen (NL; knapp 1h von Emden mit dem Auto entfernt), das idyllische Fischerdorf Greetsiel, niedliche Robbenbabies in der Seehundauffangstation Norddeich und vieles mehr. Auch Emden hat einiges für den Feierabend zu bieten, z.B. ein Kino, ein Theater, die Friesentherme oder eine schöne Joggingstrecke in den Wallanlagen.
Alles in allem hatte ich eine wunderbare Zeit in Emden, und zwar sowohl in als auch außerhalb der Klinik. Fachlich habe ich einiges gelernt und einen Einblick in die Vielfalt der Gynäkologie und Geburtshilfe erhalten. Nach dieser Famulatur halte ich es für sehr gut möglich, mein PJ-Wahltertial ebenfalls in der Gynäkologie zu absolvieren. Als Sahnehäubchen obendrauf habe ich ganz unverhofft viele liebe Menschen und eine sehr schöne Ecke Deutschlands kennen gelernt. Die Zeit in Emden hat mich rundum bereichert und begeistert.
Bewerbung
Ich habe mich etwa 3 Monate im Voraus beim Chefarzt Dr. Witt beworben und hatte Glück, noch einen Famulatur- und Wohnheimplatz zu bekommen. Mittlerweile ist Emden bei Famulanten relativ beliebt, daher lohnt es sich, sich rechtzeitig zu bewerben. An wen man sich im Einzelnen wenden muss, ist ausführlich auf der Homepage erklärt.